Haben Sie jemals gedacht: „Ich bin total gestresst, das ist ja großartig!“? – Wohl eher nicht! Dabei ist das gar nicht so abwegig. So verrückt es auch klingt, wir benötigen ein gewisses Pensum an Stress in unserem Leben, um uns energievoll und glücklich zu fühlen. Aber warum ist das so und was verbirgt sich hinter dem sogenannten positiven Stress?
Bevor nun positiver von negativem Stress unterschieden werden kann, ist es zunächst von Bedeutung, Stress allgemein zu definieren. Als Stress wird grundsätzlich eine körperliche und psychische Reaktion auf eine schwer zu bewältigende Situation definiert. Die meisten werden das Gefühl kennen, wenn beispielsweise nur noch wenige Stunden bis zu einer wichtigen Deadline auf der Arbeit übrig sind oder der Zug auf dem Weg zu einem wichtigen Termin ausfällt. Der Atem beschleunigt sich, das Herz rast und die Hände sind zittrig. So eine Situation kann wahlweise durch innere Reize wie Ängste und Sorgen, als auch durch äußere Faktoren entstehen. Bei beiden Situationen ist jedoch von Bedeutung, dass Stress etwas höchst Subjektives ist. Während bei dem einen der Stresspegel bereits nach zehn Minuten im Stau stehen hochschnellt, macht der andere sich das Radio an und entspannt. Doch auch wenn Stress sehr individuell ist, lassen sich einige allgemein auslösende Faktoren ausmachen:
Unser Körper nimmt ununterbrochen äußere und innere Stressoren wahr, worauf das Gehirn als Antwort biochemische Prozesse auslöst und uns in Alarmbereitschaft setzt. Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol werden ausgeschüttet und befähigen uns instinktiv und zügig auf potenzielle Gefahren zu reagieren. Durch die bessere Sauerstoffversorgung von Gehirn und Muskeln, erhöhen sich Blutzuckerspiegel sowie Blutdruck und wir fühlen uns voller Energie.
Stress ist nicht gleich Stress! Wie bereits erwähnt hat Stress einen evolutionären Sinn und ist ungefährlich, solange er nur zeitweise andauert und der Körper sich nach einer kurzen Zeit wieder entspannen kann. Wenn die meisten Menschen allerdings vom klassischen Stress sprechen meinen sie den Distress (negativen Stress). Die zunächst kurzzeitig in Alarmbereitschaft gesteigerte Leistungsfähigkeit nimmt hier rapide ab, da langfristig keine Erholung und Entspannung gefunden wird. Distress ist gerade so schädlich, da wir uns bei ihm dauerhaft unter Druck, überlastet und getrieben fühlen. Der Adrenalinspiegel und Blutdruck sind über einen längeren Zeitraum erhöht und die entstandene Energie kann nicht genügend abgebaut werden. Hieraus ergibt sich ein entscheidender Risikofaktor für verschiedenste psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen. Typische Situationen, in denen die meisten Menschen Distress empfinden sind Prüfungen, Menschenmengen oder ein Arbeitsplatzverlust.
Distress schadet uns also und kann uns krank machen, wenn wir nicht aufpassen. Ein Glück können wir Stress auch von einer positiven Seite beleuchten und den sogenannten Eustress für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit nutzen. Eustress empfinden wir, wenn wir auf eine angenehme Art aufgeregt sind und uns Stresssituationen euphorisch werden lassen. Häufig sind das Situationen, die uns Freude bereiten: Achterbahn fahren, die Zusage für einen neuen Job oder auf ein Date gehen. Unser Puls ist genauso beschleunigt und wir können unter Strom stehen, jedoch fühlen wir uns keineswegs ängstlich oder bedroht. Zahlreiche Studien belegen, dass Eustress die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit steigert und uns sozialer werden lässt. Neben den genannten Hormonen kann in stressigen Zeiten auch Oxytocin ausgeschüttet werden, welches die Empathie fördert und uns empfänglicher für die Unterstützung anderer macht. Es ließ sich darüber hinaus sogar zeigen, dass Wunden schneller verheilen und Antibiotika besser wirken, wenn Menschen einer kurzfristigen Stressreaktion ausgesetzt sind.
Wenn aller Stress tatsächlich nur schädlich wäre, wären dann nicht Extremsportler, Geschäftsführer oder Politiker dauerhaft krank? Warum ist das so, dass einige Menschen in Stresssituationen zu Höchstformen auflaufen und sich sogar bereits auf die Nächste freuen? Die Antwort ist ganz einfach: Diese Menschen bewerten ihren empfundenen Stress als überwiegend positiv. Sie sehen ihr Wachstum im Vordergrund, sind stolz, wenn sie Herausforderungen gemeistert haben und somit motiviert für kommende Stresssituationen. Menschen, die glauben, dass starker Stress schädlich ist, sind hingegen tatsächlich häufiger krank als jene, die ihn als förderlich empfinden. Doch, wenn das nun die Lösung sein soll – Wie gelingt es uns, Stress als förderlich zu empfinden?
Es wäre natürlich schön, wenn man auf Knopfdruck die Bewertung aller Stresssituationen vom Negativen ins Positive umwandeln könnte. Wir würden uns dabei auch sicherlich oft etwas vorgaukeln, denn gewisse Situationen wie die Erkrankung oder der Verlust eines geliebten Menschen sind ganz sicherlich nicht sehr positiv. Vielmehr ist die Lösung eine gesunde Balance in unserem Leben aus Aktivitäten und Zielen, die wir erfüllen MÜSSEN und welchen die wir erfüllen WOLLEN. Jeder kennt das Gefühl, für etwas zu brennen, bei der Tätigkeit in einen Flow Zustand zu gelangen und die Zeit aus den Augen verlieren. Das ist ein gutes Beispiel für eine Aktivität, die wir tun wollen und die tendenziell eher mit positivem Stress verbunden ist. Es geht also darum, sich neben den unvermeidbaren Pflichtaufgaben Aktivitäten und Lebensziele zu suchen, die einen glücklich und zufrieden machen. In unseren Köpfen ist immer noch sehr verankert, dass wir Distress im Zuge von Wellness oder Urlauben vorbeugen müssen und ihn dadurch mildern können. Das funktioniert kurzzeitig auch oft sehr gut, nur löst dann die nächste noch so kleine Stresssituation wieder die vorherigen Distressgefühle aus. Wenn der Distress also nicht neu bewertet werden kann, geht es vielmehr darum, die aktuellen Lebensumstände, wie den Job, zu hinterfragen, neue Freizeitaktivitäten zu beginnen oder soziale Kontakte zu knüpfen.
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