Selbstzweifel, Unsicherheit, Neid. Hin und wieder kennt diese Empfindungen sicherlich jeder – doch wenn sie überhandnehmen und sich daraus ein überdauernd geringes Selbstwertgefühl entwickelt, kann es gerade in Hinblick auf die psychische Gesundheit starke negative Auswirkungen haben. Ein Hoffnungsschimmer: Es muss nicht so bleiben! Es gibt zahlreiche Maßnahmen, mit denen das Selbstwertgefühl aktiv gestärkt werden kann.
Das Selbstwertgefühl beschreibt die subjektive Bewertung einer Person gegenüber sich selbst sowie die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften. Der Grad des Selbstwertgefühls jeder Person ist individuell und kann von sehr stark bis verschwindend gering variieren und dabei Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens haben.
Ein starkes Selbstwertgefühl ist mit einem positiven Selbstbild und einem Gefühl des Wohlbefindens verbunden. Es hat darüber hinaus einen günstigen Einfluss auf die Wahrnehmung, Bewertungsprozesse, Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen. So sind Personen, die sich einen hohen Selbstwert zusprechen beispielsweise eher der Überzeugung Herausforderungen meistern und Ziele erreichen zu können sowie auch eher bereit Risiken einzugehen und die Komfortzone zu verlassen um neue Möglichkeiten zu erkunden. Nicht umsonst wird auch häufig von einem gesunden Selbstwertgefühl gesprochen – gesund, da ein niedriges Selbstwertgefühl in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen steht. Ein niedriger Selbstwert ist an der Stelle geprägt von Selbstzweifeln, Abwertung und Missgunst anderen gegenüber.
Nachdem nun die Tragweite des Selbstwertgefühls deutlich geworden ist, stellt sich natürlich die Frage: Wie kommt das Selbstwertgefühl zustande und wovon wird es beeinflusst?
Erfahrungen in der Kindheit und Jugend: Die Wissenschaft zeigt, dass besonders die ersten Erfahrungen, die ein Kind mit seinem Umfeld macht, sehr prägend für das Selbstwertgefühl sind. Positive Erlebnisse wie Unterstützung, Anerkennung und ermutigende Rückmeldungen können das Selbstwertgefühl stärken, negative Erfahrungen wie Vernachlässigung, Ablehnung oder Misshandlung können hingegen zu einem niedrigen Selbstwertgefühl führen.
Soziales Umfeld: Auch über die Kindheit und Jugend hinaus bleiben die Beziehungen zu Familie, Freunden, Kollegen und anderen sozialen Kontakten sehr einflussreich für das Selbstwertgefühl. Verlässliche und unterstützende Beziehungen können das Selbstwertgefühl stärken, während Beziehungen, die geprägt sind von Abwertung, Enttäuschung und Konflikten es deutlich abschwächen können.
Erfolge und Misserfolge: Erfolge und positive Leistungserfahrungen (wie gute Schulnoten oder eine Beförderung) können das Selbstwertgefühl steigern, während wiederholte Misserfolge (wie gescheiterte Beziehungen oder Nichtbestehen einer Prüfung) sowie das Ausbleiben von Erfolgserlebnissen das Selbstwertgefühl negativ beeinträchtigen können.
Gesellschaftliche Normen und Medien: Gesellschaftliche Normen, Schönheitsideale und der Vergleich mit Mitmenschen haben ebenfalls einen hohen Stellenwert. Der ständige Druck, bestimmten Standards gerecht zu werden, kann schnell zu einem geringeren Selbstwertgefühl führen.
Das Selbstwertgefühl steht auf einem Gerüst von verschiedenen Säulen. Jede einzelne Säule kann aktiv gestärkt werden uns so dazu beitragen, dass das allgemeine Selbstwertgefühl eine stabile und sichere Basis für jegliche Lebensbereiche bietet:
Selbstakzeptanz
Selbstakzeptanz beinhaltet sich mit allen Stärken und Schwächen zu sehen und auch anzunehmen. Sie umfasst Gedanken und Gefühle zuzulassen, diese zu verarbeiten und das Handeln nach ihnen ausrichten.
Übung: Ständige Vergleiche mit anderen stoppen
Den Blick nur nach links und rechts auf das Sein und Handeln anderer zu werfen kann oft ganz schön verunsichern. Wenn das häufig geschieht, kann wie folgt vorgegangen werden:
Zunächst gilt es den eigenen Blick nochmal mehr zu schärfen und zu erkennen, wenn sich verglichen wird. Dann sollte sich die Frage gestellt werden: Bringt dieser Vergleich einen Vorteil – Ist er inspirierend oder löst er nur negative Gefühle aus? Es ist auch in Ordnung anzuerkennen, dass jemand anderes besser in etwas ist aber ganz wichtig – längst nicht in allem! Es ist völlig in Ordnung in einigen Bereichen mehr und in anderen weniger gut zu sein. Wenn ein Vergleich sinnvoll ist, dann lediglich der mit dem eigenen Selbst aus der Vergangenheit!
Verantwortung übernehmen
Es kann nicht alles kontrolliert werden, was im Leben geschieht, jedoch kann jeder aktiv zur eigenen Zufriedenheit beitragen und Verantwortung dafür übernehmen, wie die eigene Zeit genutzt wird, welche Entscheidungen getroffen werden und damit, ob Wünsche in Erfüllung gehen.
Übung: Die eigene Komfortzone verlassen
Um Verantwortung zu übernehmen muss auch mal die Komfortzone verlassen werden und sich neue Aufgaben zugetraut werden. Hier gilt es sich im ersten Schritt eine kleine Tätigkeit zu überlegen, die man schon immer machen wollte, jedoch aus Angst oder Unsicherheit nie umgesetzt wurde. Solche Aufgaben erfolgreich zu meistern steigert die Selbstwirksamkeit und ermutigt sich auch weiterhin aktiv für die eigenen Wünsche einzusetzen.
Selbstbehauptung
Selbstbehauptung impliziert die eigenen Bedürfnisse nicht zu ignorieren um anderen zu gefallen, sondern für sich einzustehen. Das bedeutet nicht automatisch egoistisch zu sein und Konflikte zu suchen, sondern lediglich gut für sich selbst zu sorgen.
Übung: Für sich einstehen
In vielen Situationen ist es nicht leicht für sich einzustehen und manchmal ist einem das auch schon im Vorhinein bewusst – Sei es ein Konfliktgespräch mit dem Partner, die Gehaltsverhandlung mit dem Vorgesetzen oder auch nur die Diskussion über das nächste Urlaubsziel mit Freunden. Tipp: Das Gespräch im Vorfeld üben! Das bedeutet gedanklich das gesamte Gespräch schon einmal durchzugehen, Stimme und Blickkontakt zu prüfen sowie genau zu überlegen, was und wie man etwas sagen möchte. Vielleicht fallen einem auch schon mögliche Einwände des Gegenübers ein und Möglichkeiten, wie auf diese reagiert werden könnte.
Bewusst leben
Das Selbstwertgefühl wird auch gestärkt, wenn die eigene Umwelt, Gefühle und Handlungen bewusst wahrgenommen werden und dadurch nicht der Fehler begangen wird die Realität falsch und gegebenenfalls zu negativ zu interpretieren.
Übung: Meditation
Bei der Meditation wird die Aufmerksamkeit ganz aktiv auf die Atmung gelenkt. Es geht nicht darum Gedanken auszuschalten, sondern sie bewusst wahrzunehmen. Statt an ihnen krampfhaft festzuhalten sollen sie zugelassen werden, jedoch ohne sie dabei zu bewerten. Durch regelmäßige Meditationspraxis wird sich in Gelassenheit geübt, die Stück für Stück auch auf den Alltag übertragen werden kann.
Zielgerichteter Lebensstil
Ziele vor Augen zu haben und zu wissen was getan werden muss um sie zu erreichen und Erfolg zu haben stärkt das Kompetenzerleben und somit auch das Selbstwertgefühl.
Übung: Erfolge feiern
Egal wie groß oder klein ein Erfolg ist, es ist ein Beweis, dass Hürden überwunden werden können, wenn sich etwas vorgenommen wird. Um das Selbstwertgefühl zu stärken und damit Energie und Motivation für kommende Ziele zu schaffen sollte die Freude über den Erfolg nicht nur gedanklich, sondern auch mit einer wohltuenden Aktivität gefeiert werden – das kann das Zubereiten des Lieblingsgerichts sein, ein Besuch in der Therme oder einfach ein freier Abend auf der Couch mit einem spannenden Roman.
Integrität
Sich selbst treu zu bleiben und den eigenen Werten zu folgen bedeutet in Freiheit zu leben und sich nicht verstecken zu müssen.
Übung: Sich mit Menschen umgeben, die dieselben Werte teilen
Um sich treu zu bleiben ist es ratsam sich mit Menschen zu umgeben, die ähnliche Ansichten haben und dieselben Ziele und Gedanken teilen. Wenn die eigenen Vorstellungen ständig vom Umfeld abgewertet werden, kann das stark verunsichernd wirken und das Selbstwertgefühl deutlich schwächen. Also gilt es sich regelmäßig die Frage zu stellen: Erlebe ich meine Beziehungen als positiv und bereichernd oder ist es an der Zeit neue Kontakte zu knüpfen?
Schlussendlich ist es wichtig zu beachten, dass das Stärken des Selbstwertgefühls ein individueller Prozess ist und viel Zeit und Selbstreflexion erfordern kann. Wenn sehr starke Unsicherheiten und Zweifel erlebt werden, kann es immer hilfreich sein professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, am besten von einem Psychotherapeuten.
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