PTBS und Schlafstörungen: Ein Teufelskreis und seine Auflösung

Schlafstörungen sind den meisten Menschen bekannt – wohl jeder hat sich in der Nacht mal herumgewälzt und nicht in den Schlaf gefunden. Neben eher harmlosen Ursachen, wie kurzfristigem Stress oder Erkältungen, können auch psychische Störungen Schlafstörungen auslösen. Auch bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kommt es zu Schlafproblemen. Der Zusammenhang zwischen Schlaf und PTBS ist hier jedoch komplexer als gedacht: Der gestörte Schlaf ist nicht nur eine Folge der PTBS, sondern kann diese auch mitbegünstigen.
Im Folgenden gehen wir auf die verschiedenen Schlafphasen, den Zusammenhang von PTBS und der Schlafqualität und neue Behandlungsansätze bei PTBS ein.

Unser Schlaf – immer gleich?

Schlaf ist nicht immer gleich. Im Verlauf einer Nacht durchschlafen wir mehrere Schlafzyklen, die sich aus unterschiedlichen Phasen zusammensetzen. Diese Phasen unterscheiden sich durch eine Veränderung der Gehirn- und Körperaktivität. Um herauszufinden in welcher Schlafphase wir uns befinden können Schlafforscher die Gehirnwellen mit einem EEG (Elektroenzephalogramm) messen und mit weiteren Sensoren die motorische Aktivität und die Augenbewegungen unter den geschlossenen Lidern aufzeichnen. Schlaf wird in zwei Formen unterschieden, den REM-Schlaf und den Non-REM Schlaf. REM beutet „Rapid-Eye-Movement“, meistens wird im REM-Schlaf intensiv geträumt.

Die verschiedenen Schlafphasen

In einer Nacht durchlaufen wir verschiedenen Schlafphasen, die sich mehrmals wiederholen. Meistens verlaufen die Stadien in einem 60-90 minütigen Zyklus. Während acht Stunden Schlaf durchlaufen wir circa 4 bis 7 Schlafzyklen. Bei einer PTBS verschieben sich die Schlafphasen: Es findet weniger REM-Schlaf statt. Dies hat einen Einfluss auf die psychische Verarbeitung der traumatischen Inhalte.

Einschlafphase

Der Körper findet zur Entspannung: Puls und Atmung werden ruhiger, die Muskelspannung nimmt ab. Anfangs weist das EEG hier noch hohe Ähnlichkeit zum Wachzustand auf, dann treten vermehrt schlaftypische Gehirnwellen auf. Die Augen machen rollende Bewegungen hinter den geschlossenen Lidern. Werden wir nicht von ungewohnten Geräuschen oder anderen Reizen geweckt, finden wir in den Schlaf.

Stabiler Schlaf

In dieser Phase verbringen wir die meiste Zeit der Nacht. Die Muskelspannung lässt weiter nach, der Atem geht tief und entspannt. Es sind keine Augenbewegungen zu erkennen. Dass EEG zeigt ein typisches Muster, die sog. „Schlafspindeln“, die in einem bestimmten Rhythmus auftreten.

Tiefschlaf

Im Tiefschlaf findet Regeneration statt, das Immunsystem wird gestärkt und Lernerfahrungen verinnerlicht. Wird man aus dem Tiefschlaf geweckt, so ist das besonders unangenehm und das Aufstehen fällt schwer. Es gibt auch hier keine Augenbewegungen. Etwa 20% der Nacht verbringen wir im Tiefschlaf.

REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement-Schlaf)

Der Name resultiert aus den ruckartigen und schnellen Augenbewegungen hinter den geschlossenen Lidern. Im REM- Schlaf träumen wir intensiv. Es kommt zu schnellen Augenbewegungen bei geschlossenen Lidern und einer erhöhten Atem- und Herzfrequenz. Trotz des aktiven Schlafzustandes bewegen wir uns in dieser Phase gar nicht. Diese Starre verhindert, dass wir uns in den Träumen verletzen können. Mit steigendem Alter verändert sich der REM-Schlaf. Bei Erwachsenen dauert die REM-Schlaf Phase mehr als eine Stunde. Babys verbringen hingegen fast ihren ganzen Schlaf ausschließlich im REM-Schlaf. Forscher schließen daraus, dass der REM-Schlaf eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Nervensystems und bei der Verarbeitung von Lerninhalten spielt. Im EEG ähnelt der REM-Schlaf eher der Einschlafphase, das Gehirn ist also ziemlich aktiv.

Schlafstörungen und PTBS

Nach schwer belastenden Ereignissen leiden viele Menschen an Schlafproblemen. Bei einer PTBS wird der natürliche Schlafrhythmus und der Ablauf der Schlafphasen gestört. Dabei sind die Tiefschlaf- und REM-Phasen von hoher Bedeutung, denn in ihnen werden Lern- und Gedächtnisinhalte verarbeitet und abgespeichert. Fallen die Phasen weg, ist die Verarbeitung unvollständig. Schauen wir uns die Zusammenhänge von Schlaf und PTBS einmal genauer an:

Zusammenhang 1: Wechselspiel zwischen Schlaf und PTBS

Nach einem traumatischen Ereignis ist der Schlaf verständlicherweise beeinträchtigt. Die Erinnerung ist noch so schmerzhaft, dass nicht an ruhigen Schlaf zu denken ist. Das Problem: Im Schlaf werden alle Erlebnisse, also auch traumatische Inhalte, gespeichert und verarbeitet. Geschieht dies nicht, da es nicht zu REM- oder Tiefschlafphasen kommt, dann wird die traumatische Episode nur bruchstückhaft verarbeitet, was zu der bereits o.g. unvollständigen Erinnerung (partiellen Amnesie) führt. Dies zieht weitere Probleme mit sich, z.B. fühlen sich Betroffene entfremdet von sich selbst und erleben Flash-Backs in Situationen, die sie nicht mit der Traumatisierung in Verbindung bringen.

Zusammenhang 2: Schlechter Schlaf als Folge von PTBS

PTBS- Betroffene leiden unter einer erhöhten Reizbarkeit, Ängstlichkeit und unter depressiven Verstimmungen. All diese Symptome sind wenig förderlich für einen gesunden Schlaf, sodass die Qualität des Schlafes weiter leidet.

Resultat: Teufelskreis

Aus den beiden geschilderten Zusammenhängen, ergibt sich ein Teufelskreis, in dem sich die PTBS und die Schlafstörung gegenseitig aufrechterhalten. Diesen konnten Wissenschaftler mit einem Experiment belegen. In diesem Experiment haben Versuchspersonen, die eigentlich keine Schlafprobleme haben, entweder einen neutralen oder einen traumatischen Film gesehen. Es zeigte sich, dass die Personen, die den traumatischen Film sahen, weniger REM-Phasen im Schlaf aufwiesen, als die Personen, die den neutralen Film sahen. Aber auch in der Trauma-Gruppe selbst gab es Unterschiede: Je länger der REM – Schlaf war (auch wenn dieser im Vergleich zu den Personen in der Neutral-Gruppe immer noch verkürzt war), desto weniger traumabezogene Symptome wiesen die Teilnehmer auf (Sopp et al., 2019).

Ideen für die PTBS – Behandlung

Für die Auflösung der Schlafprobleme sollte zunächst dem Schlaf und der Schlafhygiene eine große Bedeutung in der Therapie beigemessen werden. Unter Schlafhygiene werden Maßnahmen zusammengefasst, die einen gesunden Schlaf unterstützen sollen, wie z.B. das Einführen von Einschlafritualen oder Entspannungsverfahren vor der Nacht.

Andererseits haben die Zusammenhänge zwischen Schlaf und PTBS einen Einfluss auf die Wahl der Therapiemethoden: Bei der EMDR-Methode (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) werden sich die typischen Charakteristika der REM-Phase zunutze gemacht und die Traumabewältigung durch die Kombination von sprachlichem Wiedererleben und schnellen Augenbewegungen unterstützt.
Auch die Wirksamkeit der klassischen Konfrontationstherapie mit traumatischen Inhalten und Reizen kann durch Einbezug der Erkenntnisse verbessert werden: Wird der Anteil an REM-Schlafphasen erhöht, so werden die Geschehnisse besser verarbeitet und die Konfrontation zeigt schneller Wirkung.

In diesem Bereich besteht trotz des vorhandenen Wissens noch großer Forschungsbedarf und ein enormes Potenzial in der Behandlung von PTBS. Wir dürfen gespannt sein, welche Erkenntnisse uns die Wissenschaft in Zukunft liefert und können auf eine sich stetig verbessernde, wissenschaftlich untermauerte Therapie bei PTBS hoffen!

Quellenangaben

(1) Schandry, R. (2011). „Biologische Psychologie. 3., vollständig überarbeitete Aufl.“ Meinheim, Basel: Beltz Verlag.

(2) Sopp, M. R., Brueckner, A. H., Schäfer, S. K., Lass-Hennemann, J., & Michael, T. (2019). REM theta activity predicts re-experiencing symptoms after exposure to a traumatic film. Sleep medicine, 54, 142-152.

Kategorien: Schlafstörungen Trauma

Christiane von Falkenhayn
Leitende Psychologin, Approbierte psychologische Psychotherapeutin Christiane von Falkenhayn
Dipl.-Psych. Christiane von Falkenhayn ist eine versierte leitende Psychologin und approbierte psychologische Psychotherapeutin, die sich durch ein tiefgehendes Verständnis verschiedener psychotherapeutischer Ansätze auszeichnet. Ihre Expertise umfasst spezialisierte Techniken in Verhaltenstherapie, Systemischer Therapie, Dialektisch Behavioraler Therapie und Traumatherapie. Durch ihr Studium der Psychologie an der Universität Trier und kontinuierliche Weiterbildungen erlangte sie umfassende Kenntnisse, die sie in ihrer Rolle als Leitende Psychologin in der LIMES Schlosskliniken AG täglich anwendet. Besonders geschätzt ist Christiane von Falkenhayn für ihre Empathie, mit der sie eine Atmosphäre des Vertrauens und der persönlichen Entwicklung schafft.

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