Ist es der Job, der Sie krank macht?

40 Prozent der Berufstätigen berichten von täglichem Stress auf der Arbeit, jeder Zweite davon gibt an, regelmäßig an seine Grenzen zu gelangen und dadurch krank zu werden. Gerade Menschen in Führungspositionen, Pflegeberufen und der sozialen Arbeit sind besonders gefährdet, doch es kann im Prinzip in jedem Job so weit kommen. Die meisten Betroffenen denken sie müssten ihre Situation so hinnehmen, fühlen sich machtlos und verzweifelt. Doch das stimmt nicht – Es gibt immer Optionen, Stressoren auf der Arbeit zu reduzieren und wieder gesund zu werden!

Anzeichen, dass Ihr Job sie krank macht

Macht der Job nun schon krank oder ist das noch normaler Stress? Es ist immer gut schon frühzeitig zu erkennen, dass etwas nicht stimmt und zu handeln bevor es noch schlimmer wird. Folgende Merkmale geben erste Hinweise, dass der Beruf tatsächlich Ihre Gesundheit negativ beeinflusst:

1. Sie fühlen sich permanent überfordert und gestresst

Kennen Sie das, dass Sie nur den Computer hochfahren und schon nicht mehr wissen, wo Ihnen der Kopf steht? Hohe Erwartungen, ein überfüllter Terminkalender, eine Deadline nach der anderen und konstanter Druck vom Vorgesetzten hält jeder nur eine gewisse Zeit lang aus. Auf Dauer ist Stress der schlimmste Krankmacher.

2. Sie sind auch nach Feierabend gedanklich bei der Arbeit

Ungelöste Probleme und nicht abgeschlossene Projekte lassen Sie auch am Abendbrottisch nicht los, vielleicht klappen Sie auch zu später Stunde nochmal den Laptop auf und setzen sich an Aufgaben, die Sie noch nicht fertigstellen konnten.

3. Sie sind häufig krank

Es ist normal, dass man in jedem Winter einmal die Erkältungswelle mitnimmt oder vor wichtigen Terminen schon mal Magenschmerzen hat. Treten Infekte oder Beschwerden wie Übelkeit, Darmprobleme, Kopf-, Nacken-, oder Rückenschmerzen jedoch immer öfter – beinahe wöchentlich – auf, sollten Sie sich ernsthaft Sorgen machen.

4. Sie sehnen sich montags schon das Wochenende herbei

Es ist klar, dass der Job nicht jederzeit Freude bereiten kann und Freizeit fast immer schöner ist als arbeiten zu müssen. Jedoch sollte der Job Sie schon insofern erfüllen, dass Sie nicht jede Minute, die Sie damit verbringen, sich ganz woanders hin wünschen und die Sekunden bis zur nächsten freien Zeit zählen. Im Flow sein, Spaß an der Arbeit haben und an herausfordernden Aufgaben über sich hinauswachsen, setzt neue Kräfte frei und sollte zumindest hin und wieder in ihrem Arbeitsalltag vorkommen.

5. Sie sind konstant unterfordert

Ja, Sie hören richtig. Auch zu wenig und wenig fordernde Aufgaben lassen die Arbeitszeit nicht nur kaum vergehen, sondern können durch die permanente Langeweile auch krank machen. Genauso wie Frust, dass einem nichts zugetraut und keine Verantwortung übertragen wird.

Was genau führt zur Dauerbelastung?

Haben Sie einen der oben genannten Punkte bereits mit JA beantwortet? Oder sogar mehrere? Viel zu viele Menschen denken dieses Maß an Stress und Belastung wäre normal im Job. Doch das ist es nicht. Doch woher kommt diese Dauerbelastung überhaupt? Hier gibt es eine Vielzahl an Faktoren die dazu führen können:

  • Unrealistische Anforderungen seitens des Arbeitgebers
  • Konflikte zwischen Kollegen
  • Zu viele Projekte direkt nacheinander
  • Permanente Erreichbarkeit für Vorgesetzte und Kollegen
  • Zu hohe körperliche Belastung
  • Häufige Überstunden
  • Ungenügende Bezahlung
  • Geringe Wertschätzung
  • Unsichere Arbeitsbedingungen
  • Lange Arbeitswege
  • Geringes Mitspracherecht
  • Schlechte Kommunikation
  • Mobbing

Vielleicht ist Ihnen inzwischen etwas klarer geworden, woher Ihre Dauerbelastung auf der Arbeit kommt. Das ist ein wichtiger erster Schritt! Denn nur wenn Sie ihren Leidensdruck anerkennen und verstehen woher er kommt, können Sie aktiv etwas für ihre Gesundheit tun.

Erste Hilfe für die eigene Gesundheit

Das schlimmste ist nichts zu tun und in seinem Elend zu verweilen. Viel zu viele Menschen denken sie könnten nichts tun, es könnte sie auch noch schlimmer treffen oder es gäbe auch woanders keinen passenderen Job. Nachfolgend finden Sie einige Ideen, die ihnen wieder zu mehr Gesundheit verhelfen können:

Gespräch mit dem Vorgesetzten

Vielen fällt es schwer, die Belastung und Krankheit gegenüber dem Arbeitgeber zuzugeben. Andere scheinen es doch auch zu schaffen… Es bringt jedoch nichts, wenn Sie immer weiter in den gesundheitlichen Abgrund driften und nichts passiert. Gehen Sie am besten mit konkreten Verbesserungsvorschlägen in das Gespräch. Wie solche Vorschläge aussehen könnten, entnehmen Sie den nachfolgenden Punkten.

Wechsel des Aufgabengebietes

Ob Sie nun über- oder unterfordert mit ihren derzeitigen Aufgaben sind, neben der Lösung mehr Verantwortung zu übernehmen oder welche abzugeben könnte auch ein neues Aufgabengebiet die Lösung für Sie sein. Arbeiten Sie im Vertrieb und fühlen sich eigentlich nicht wohl mit so viel Kundenkontakt – vielleicht ist ein Wechsel in das Back Office möglich? Verbringen Sie andersherum nur Zeit am Schreibtisch und sehen sich nach mehr Interaktion und Kundengesprächen außerhalb des Büros – schlagen Sie einen Wechsel in den Außendienst vor.

Reduktion der Arbeitszeit

Gerade wenn eine Überforderung oder zu wenig Freizeit der Grund für Ihre Krankheit sind lohnt es sich, über eine Reduktion der Stunden nachzudenken. Fragen Sie sich wirklich, ob das nicht zumindest zeitweise eine Lösung wäre, finanziell möglich ist bzw. ob Sie Kosten nicht an anderer Stelle herunterschrauben können. Denn Gesundheit ist unbezahlbar.

Homeoffice machen

Wenn die lange Arbeitswege stressig für Sie sind und Ihre Kräfte rauben, kann die Arbeit zuhause an einigen Tage pro Woche entlastend sein. Auch weil Sie in der Mittagspause so eher mal die Möglichkeit haben sich etwas Frisches zu Kochen, eine Runde Joggen zu gehen oder einen kurzen Mittagsschlaf zu machen.

Arbeitsbedingungen verbessern

Manchmal lassen sich ganz spezifische Symptome wie Rücken- oder Nackenschmerzen mit kleinen Erleichterungen im Alltag, wie einem besseren Bürostuhl oder höhenverstellbaren Schreibtisch verbessern. Vielleicht benötigen Sie auch einen zweiten Bildschirm oder einen schnelleren Computer, um effektiver arbeiten zu können.

Erholungsphasen schaffen

Versuchen Sie einmal ihren Alltag anders zu gestalten. Überlegen Sie, ob Ihnen Routinen, eine reduzierte Bildschirmzeit nach Feierabend, Entspannungsverfahren oder mehr Bewegung dabei helfen können. Lesen Sie dazu auch: Richtig entspannen – Neue Energie für den stressigen Alltag.

Am wichtigsten: Setzen Sie ihre Gesundheit auf Priorität Nummer eins! Ohne Sie werden Sie langfristig gar nicht mehr arbeiten können, daran sollte ihr Arbeitgeber ebenfalls kein Interesse haben. Und auch privat werden sie immer weniger leistungsfähig sein. Es zeigt von Stärke die Krankheit anzuerkennen, für sich einzustehen und zu Handeln.

Letzter Ausweg Kündigung?

Bevor Sie an eine Kündigung denken, sollten Sie natürlich alle genannten Maßnahmen erst einmal ausschöpfen und versuchen an Ihrer Situation aktiv etwas zu verändern. Trotzdem kann es sein, dass es entweder kaum Möglichkeiten für Veränderungen gibt oder Sie vielleicht auch schon innerlich gekündigt haben. Es ist jedoch ratsam, insofern es aushaltbar ist, sich zuerst eine neue Arbeitsstelle zu suchen, bevor Sie kündigen, damit der Druck etwas Neues zu finden, nicht auch noch zu ihrer Krankheitsbelastung dazukommt.

Quellenangaben
  • Gallup: https://www.gallup.com/workplace/349484/state-of-the-global-workplace-2022-report.aspx, Abruf am 09.12.2022.
  • Neuner, Ralf: Psychische Gesundheit bei der Arbeit: Betriebliches Gesundheitsmanagement und Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. Wiesbaden, 2016.
  • Reif, Julia; Spieß, Erika & Stadler, Peter: Effektiver Umgang mit Stress. Gesundheitsmanagement im Beruf. Berlin, 2018.
  • Siegrist, Johannes & Dragano, Nico: Psychosoziale Belastungen und Erkrankungsrisiken im Erwerbsleben. Bundesgesundheitsblatt (2008), Band 51.
  • Unger, Hans-Peter; Kleinschmidt, Carola: Bevor der Job krank macht: Wie uns die heutige Arbeitswelt in die seelische Erschöpfung treibt und was man dagegen tun kann. München, 2007.

Kategorien: Burnout Depressionen

Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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