Das Internet lockt mit ständiger Ablenkung und immer neuen Dingen, die wir entdecken können. Anhand unserer Mobilgeräte, allen voran Smartphones, haben wir die ganze Welt stets im Blick. Kein Wunder, dass internetbasiertes Verhalten einen hohen Stellenwert einnimmt. Leider birgt dieses Verhalten neben allen Vorteilen und Verlockungen ein erhöhtes Abhängigkeitsrisiko. Der Prozentsatz der Internet-User mit schädlichem oder pathologischem Internetkonsum steigt. Waren es 2015 noch etwa 1% der Bevölkerung, so sind es heute schätzungsweise bis zu 3%, vor allem in der jüngeren Generation (DAK, 2018, PINTA, 2013).
Doch woran können wir erkennen, dass unser Internetkonsum schädlich oder gar krankhaft ist? Die Grenze ist wie so oft sehr individuell und nur schwer exakt zu bestimmen. Es lohnt sich aber, einmal einen Blick auf folgende Anzeichen für eine Internet-Sucht zu werfen:
Möchte man das eigene Internetverhalten beleuchten ist zudem sinnvoll, sich zu fragen: Wie sah mein Leben vor genau einem Jahr aus? Gab es Dinge, die ich oft gemacht habe, heute aber aufgrund von Online-Aktivitäten vernachlässige? Zudem können Tracking-Apps Hinweise auf das eigene Online-Verhalten geben, denn oft geschieht der Gebrauch fast unbewusst.
Exkurs: Wie stark der Blick auf das Smartphone inzwischen automatisiert ist, zeigt eine Studie von Markowetz et al.: Anhand von Langzeit-Nutzer-Daten zeigte sich, dass die Teilnehmenden im Durchschnitt alle 18 Minuten ihr Handy „gecheckt“ haben und sich so immer wieder aus dem konzentrierten Arbeiten oder aus Gesprächen herausreißen ließen (Markowetz, 2015).
Internetsucht in der Corona-Pandemie
Die aktuelle Corona-Situation befeuert pathologisches Internetverhalten. Ablenkungen durch analoge Aktivitäten, wie Vereinssportarten, Treffen mit Freunden oder Restaurantbesuche, fallen weg. Wir alle verbringen viel mehr Zeit zuhause im engsten Familienkreis und greifen zur Unterhaltung und zur Bekämpfung von Langeweile auf internetbasierte Medien zurück. Zudem mangelt es an sozialer Kontrolle des Internetkonsums. Es gibt derzeit keine geselligen Runden, in denen wir auf unseren ständigen Blick auf das Smartphone aufmerksam gemacht werden können. Doch was genau macht das Internet eigentlich so verlockend? Warum können wir unserem Smartphone, unserem Tablet oder unserem Notebook nur so schwer widerstehen?
Die Psychologie erklärt die Entstehung von Internetsucht durch den Mechanismus der intermittierenden Verstärkung. Intermittierend bedeutet „in unregelmäßigen Abständen auftauchend“. Der Blick auf unser Smartphone ist immer wieder aufs Neue wie ein kleines Spiel oder eine Wette: Habe ich eine neue Benachrichtigung bekommen, oder nicht? Das macht das ganze spannend! Sobald eine Benachrichtigung auftritt, ist dies wie ein kleiner Gewinn und wirkt verstärkend auf die Belohnungszentren in unserem Gehirn. Dadurch lernen wir, dass „Checking“ erneut durchzuführen. Hinzu kommt der immer stärker werden Anteil an sozialer Interaktion im Internet. Als soziale Wesen streben wir nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Social Media Firmen nutzen diesen Mechanismus aus. Likes, Kommentare und Follower werden zu einer Währung für Zugehörigkeit und des sich-angenommen-Fühlens.
Gibt es eine Diagnose Internet-Sucht?
Die Sucht nach dem Internet ist noch nicht lange im Katalog der psychischen Krankheiten vertreten. Derzeit wird auch streng genommen von einer Online-Gaming-Störung gesprochen, das heißt von der Sucht nach onlinebasierten Spielen. Dies greift jedoch zu kurz, denn auch andere Aktivitäten im Internet sind potenziell suchtgefährdend, beispielsweise Internet-Pornographie, Online-Glücksspiel und auch Social Media. Generell kann jedes Verhalten im Internet stark vereinnahmend sein und letztendlich zu einer Sucht führen.
Digitaler Stress und Digitaler Burnout
Doch neben dem Risiko einer Sucht birgt das Internet noch eine weitere Gefahr, die immer häufiger zu beobachten ist: Internet-User erleben vermehrt digitalen Stress. Es herrscht immenser Druck, immer up-to-date zu sein. Hier spielt auch die „fear of missing out“ eine Rolle. Diese Angst, etwas zu verpassen, führt manche User dazu, das Internet zu nutzen, obwohl es negative Gefühle auslöst. Mehr hierzu finden Sie im Artikel zum Thema Digitaler Burnout.
Wichtig: Internet-Sucht geht häufig mit weiteren psychischen Erkrankungen einher. Häufig sind Depressionen, Angststörungen, soziale Phobie sowie Suchtmittelkonsum als Begleiterscheinung oder aber auch als auslösender Faktor vorliegend. In der Fachsprache nennt man dies „Komorbidität“.
Wenn der Internetkonsum schädliche Ausmaße annimmt, kann ein klares Regelwerk helfen. Hier seien einige Beispiele genannt:
Natürlich kann auch professionelle Hilfe bei Internetsucht ratsam sein. Diese Unterstützung zielt auf Faktoren, die den Internetkonsum begünstigen und aufrechterhalten. So werden beispielsweise Programme genutzt, die die Sozialkompetenz und die Stressbewältigung außerhalb des digitalen Raumes fördern und so Alternativen zum Internetkonsum schaffen. Außerdem werden Kognitionen und Glaubenssätze bearbeitet, die den Internetkonsum beeinflussen, wie etwa Überzeugungen wie „Nur im Internet kann ich meine Persönlichkeit voll und ganz entfalten.“
Verständlicherweise kann das Ziel der Behandlung bei Internet-Sucht kaum eine komplette Internet-Abstinenz sein. Das ist heutzutage einfach unrealistisch. Vielmehr soll ein selbstbestimmter und bewusster Umgang mit den digitalen Medien trainiert werden. Wichtig ist es, diesen verantwortungsvollen Umgang schon bei Kindern anzubahnen. Jede Person kann selbst einmal reflektieren, wie für sie eine verantwortungsvolle Internetnutzung aussehen würde und sich aus dieser Vorstellung Inspirationen für sich selbst und auch für die Weitergabe an nachfolgende Generationen ziehen.