Hypochondrie: Wenn sich alles um Gesundheit und Krankheit dreht: Krankheitsangst und ihre Folgen

In der Fachsprache wird Krankheitsangst als hypochondrische Störung oder Hypochondrie bezeichnet. Menschen, die an dieser psychischen Störung leiden, machen sich übermäßige Sorgen um ihre körperliche und geistige Gesundheit. Sie reagieren negativ auf kleinste körperliche Veränderungen oder Wahrnehmungen und interpretieren diese als Zeichen einer ernsthaften Erkrankung.

Wie „ticken“ Menschen mit Krankheitsangst?

Unser Körper ist ein Wunderwerk, aber auch er arbeitet nicht immer perfekt. Ab und zu zwickt und zwackt es, es juckt oder brennt. Der Volksmund nennt diese kurzfristigen Symptome „Wehwehchen“ oder „Zipperlein“. Die meisten Menschen nehmen sie wahr, sind kurz genervt, widmen sich dann jedoch wieder ihrer Tätigkeit. Häufig ist es so, dass das Symptom von selbst wieder verschwindet und keine ärztliche Behandlung notwendig ist.

Dauergast im Wartezimmer oder Flucht vor Ärzten
Menschen mit Krankheitsangst geraten jedoch beim kleinsten Symptom in Alarmbereitschaft: Was stimmt nicht mit meinem Körper? Bin ich ernsthaft erkrankt? Wofür steht dieses Symptom? Werde ich an der dahinterliegenden Krankheit sterben? Betroffene neigen dazu, ihren Körper sehr genau zu beobachten und selbst zu untersuchen, beispielsweise durch Abtasten, Abhören oder Protokoll führen (z.B. über Blutdruck, Puls, Gewicht…). Fachleute nennen dieses Verhalten „Body Checking“ (Bleichhardt & Weck, 2007). Manche Betroffenen wirken dadurch, als seien sie regelrecht auf der Suche nach Symptomen, die sie als Anzeichen einer schweren Krankheit deuten können.

Exkurs: Bleichhardt und Weck (2007) schreiben in ihrem Buch über Krankheitsangst, dass es bestimmte Krankheiten gibt, über die sich die Betroffenen gehäuft Sorgen machen. Dazu gehören Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, AIDS und neurologische Erkrankungen wie Demenz oder multiple Sklerose.

Aus den überbewerteten Symptomen und den drängenden Sorgen ergibt sich bei vielen Betroffenen das Bedürfnis, ihre Symptome direkt mit einem Arzt zu besprechen. Sie sind Dauergäste in den Wartezimmern ihrer Ärzte. Sie brauchen die ständige Rückversicherung, dass mit ihnen alles in Ordnung ist. Andere Betroffene wiederum gehen nie zum Arzt, denn sie haben große Angst davor, dass eine tatsächliche Krankheit bei ihnen entdeckt und ihre schlimmsten Befürchtungen dadurch wahr werden.

Übermäßige Beschäftigung mit Krankheiten
Oft sind die Betroffenen, obwohl sie eigentlich unter ihrer Angst leiden, sehr interessiert, wenn es um Themen wie Krankheiten, Infektionen oder Gesundheitsgefahren geht. Viele informieren sich sehr gewissenhaft, und hoffen, so ihre Angst in den Griff zu bekommen. Leider hat dies oft ein gegenteiliges Ergebnis und negative Folgen: Je mehr Informationen gesammelt werden, desto stärker wird die Angst. Manche Betroffenen können sich überhaupt nicht mehr auf ihre Arbeit oder Gespräche konzentrieren, da die Sorge um die Gesundheit so im Vordergrund steht. Diese Angstgefühle können in Panikattacken ausufern, die die Betroffenen vollkommen handlungsunfähig werden lassen.

Exkurs: In selteneren Fällen kann Krankheitsangst auftreten, wenn überhaupt keine körperlichen Probleme vorliegen. Es reicht allein die Vorahnung oder Vorstellung einer Erkrankung aus, um Ängste zu erzeugen. Manche Fachleute sprechen, wenn sich die Ängste allein auf die Zukunft beziehen, von einer Krankheitsphobie und nicht von Hypochondrie.

Krankheitsangst als Unterform der somatoformen Störungen

Obwohl es sich um eine Form der Angst handelt, wird die Krankheitsangst nicht zu den Angststörungen gezählt. Aus professioneller Sicht ist sie eine Unterform der somatoformen Störung. Dieser etwas komplizierte Begriff steht für psychische Störungen, die sich auf den Körper und das körperliche Wohlbefinden auswirken. Zu den somatoformen Störungen gehören noch weitere Krankheitsbilder, wie beispielsweise

Somatisierungsstörungen: körperliche Beschwerden, deren Ursache nicht gefunden werden kann (z.B. Kopf- oder Rückenschmerzen, Schwindel, Schwitzen, Tinnitus) oder
Schmerzstörungen: Schmerzen, für die es keine offensichtlich medizinische Erklärung gibt

Es ist erst dann korrekt, von einer behandlungsbedürftigen psychischen Krankheit zu sprechen, wenn die Symptome zu erheblichem Leiden und einer Beeinträchtigung des täglichen Lebens führt. Das gilt auch für die Krankheitsangst bzw. Hypochondrie: Professionelle Hilfe ist dann nötig, wenn die Ängste um die Gesundheit nur sehr schwer zu kontrollieren sind und die geistigen Ressourcen sowie die Lebenszufriedenheit stark beanspruchen.

Entstehung der Krankheitsangst
Die Forschung zum Thema Hypochondrie ist noch nicht ganz dahintergekommen, wodurch sich eine solche Störung entwickelt. Vermutlich spielen Persönlichkeitsmerkmale wie hohe Ängstlichkeit oder Unsicherheit sowie die elterliche Erziehung eine Rolle. Waren schon die Eltern sehr krankheitsängstlich und haben die Gesundheit des Kindes stets akribisch überprüft, neigen die Kinder ebenfalls zu einem ängstlichen Umgang mit ihrem Körper (Watt & Stewart, 2000). Ein weiterer Risikofaktor für die Entstehung der Krankheitsangst sind negative Erfahrungen mit Krankheit bei sich selbst oder nahen Angehörigen.

Aktuell: Krankheitsangst in Zeiten der Corona-Pandemie

Menschen mit Krankheitsangst erleben die Corona-Pandemie besonders intensiv. Die Nachrichten sind voll mit Informationen über das Virus, mögliche Symptome und Ratschlägen zur Hygiene. Alles dreht sich um Corona. Falschmeldungen kursieren durch das Internet, die die Angst vor der Erkrankung schüren. Noch nie war die Gesundheit der ganzen Welt so präsent in den Medien wie heute. Ängste um das eigene Wohlergehen werden getriggert.

Exkurs: Das Phänomen „Dr. Google“ kennen vermutlich die meisten. Ein scheinbar harmloses körperliches Symptom wird in einer Suchmaschine eingegeben und auf einmal öffnet sich ein ganzes Universum an potenziellen Krankheiten. Das kann sehr beängstigend sein und die Grübelspirale erst richtig in Gang setzen. Studien konnten zeigen, dass sich Sorgen um die eigene Gesundheit durch das Googlen von Symptomen verstärken können (Pollklas et al., 2020). Zu den Zeiten der Corona-Pandemie gilt somit besonders: Informationsquellen mit Bedacht auswählen und in Maßen konsumieren!

Behandlung der Krankheitsangst

Es ist nicht so einfach, Personen mit Krankheitsangst von der Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung zu überzeugen. Sie vermuten ihre Probleme ja auf körperlicher, und nicht auf psychischer Ebene. Sie fühlen sich durch das Angebot von Psychotherapie häufig unverstanden und zurückgewiesen.

Trotzdem ist Psychotherapie bei der Behandlung von Krankheitsangst angeraten! Betroffene können, z.B. in einer kognitiven Verhaltenstherapie, lernen, besser mit ihren Ängsten umzugehen. Dazu erfahren sie zum Beispiel in der Psychoedukation die Mechanismen und Hintergründe von Angst. Schritt für Schritt werden dann Rückversicherungs- und Kontrollverhalten abgebaut. Es wird ein angemessener Umgang mit dem Körper und Körpersymptomen etabliert und geübt

Quellenangaben

(1) Bleichhardt, G., & Weck, F. (2007). Kognitive Verhaltenstherapie bei Hypochondrie und Krankheitsangst. Heidelberg: Springer.

(2) Pollklas, M., Widemann, L. Lochschmidt, M., Plakhuta, A., & Gerlach, A. L. (in press). Cyberchondriasis – The Effect of Searching the Internet on Health Concerns. Zeitschrift für Psychologie. IF: 1.18

(3) Watt, M. C. & Stewart, S. H. (2000). Anxiety sensitivity mediates the relationships betweenchildhood learningexperiencesandelevatedhypochondriacal concerns in young adulthood. Journal of Psychosomatic Research, 49, 107-118.

Kategorien: Angststörungen

Christiane von Falkenhayn
Leitende Psychologin, Approbierte psychologische Psychotherapeutin Christiane von Falkenhayn
Dipl.-Psych. Christiane von Falkenhayn ist eine versierte leitende Psychologin und approbierte psychologische Psychotherapeutin, die sich durch ein tiefgehendes Verständnis verschiedener psychotherapeutischer Ansätze auszeichnet. Ihre Expertise umfasst spezialisierte Techniken in Verhaltenstherapie, Systemischer Therapie, Dialektisch Behavioraler Therapie und Traumatherapie. Durch ihr Studium der Psychologie an der Universität Trier und kontinuierliche Weiterbildungen erlangte sie umfassende Kenntnisse, die sie in ihrer Rolle als Leitende Psychologin in der LIMES Schlosskliniken AG täglich anwendet. Besonders geschätzt ist Christiane von Falkenhayn für ihre Empathie, mit der sie eine Atmosphäre des Vertrauens und der persönlichen Entwicklung schafft.

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