Den Feierabend im Homeoffice zurückerobern

Mal eben zwischen zwei Meetings kochen, in der Mittagspause joggen gehen oder länger schlafen, weil der Weg vom Bett bis zum Schreibtisch so angenehm kurz ist – Homeoffice kann so schön sein! Doch gerade diese Flexibilität bringt auch viele negative Aspekte mit sich: Laut dem deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) berichtet in einer aktuellen Umfrage jeder Dritte von mehr Überstunden und knapp die Hälfte aller Personen geben an, weniger Pausen zu machen und vor allem im Feierabend nicht abschalten zu können. Um psychischen Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen vorzubeugen, empfiehlt es sich deshalb aktiv an einer guten Work-Life-Balance zu arbeiten.

Homeoffice kann krank machen

Nun ermöglicht die Digitalisierung schon einen Wegfall von Arbeitswegen sowie dem Lärm im Großraumbüro – und trotzdem scheinen die meisten Menschen kein gutes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit zu finden. Nicht zuletzt auch, weil die Erreichbarkeit jederzeit und überall immer rasant zunimmt. Dadurch ist es sicherlich keine Seltenheit, dass der Kollege um 20 Uhr noch eine Frage zur morgigen Teamsitzung stellt oder die Vorgesetzte auch am Wochenende schon mal eine (vermeintlich) wichtige Aufgabe für Montagmorgen ankündigt. Die Möglichkeit von überall aus zu arbeiten lässt nicht zuletzt Beruf und Feierabend am selben Ort stattfinden und erschwert das Abschalten enorm. Zudem sind auch die Arbeitsbedingungen im Homeoffice oft schlechter: Büromöbel, Temperatur, Lichtverhältnisse und die technische Ausrüstung. Viele Menschen arbeiten in der Küche oder vom Sofa aus, was nicht nur zu körperlichen, sondern vor allem psychischen Beschwerden führt. Dauerstress durch eine fehlende Erholung ist die größte Gefahrenquelle für Erschöpfungsdepressionen, Angst- und somatoforme Störungen.

Die Basis: Ein fester Arbeitsplatz sowie geregelte Arbeits- und Pausenzeiten

Um nun bestmöglich für ein erfolgreiches Arbeiten im Homeoffice sorgen zu können und um das Risiko für psychische Erkrankungen zu minimieren, gilt es vor dem Feierabend die Arbeitszeit möglichst effektiv zu gestalten. Folgende Aspekte sollten dabei beachtet werden:

  • Ein fester Arbeitsplatz: Dieser kann im Grunde genommen überall in der Wohnung sein, wo eine zuverlässige Internetverbindung besteht und Störquellen vermieden werden können. Durch das vorhanden sein aller benötigter Arbeitsutensilien ist der Ort klar als „mobiles Büro“ gekennzeichnet. Hierbei kommt jedem von zuhause Arbeitendem zugute, dass ohne Abstimmung mit Kollegen oder Vorgesetzten entschieden werden kann welche Aussicht und Atmosphäre einen dabei am meisten inspiriert.
  • Geregelte Arbeitszeiten: Jeder, der schon mal im Homeoffice gearbeitet hat kennt sicherlich die Verlockung bis kurz vor Arbeitsbeginn im Bett liegen zu bleiben und nicht so produktiv wie im Büro in den Tag zu starten. Dadurch verlagern sich die zu erledigenden Aufgaben und auch der Feierabend am Tag nach hinten. Genau aus diesem Grund ist es so wichtig sich den Arbeitstag auch zuhause klar zu strukturieren und die Aufgaben nach Dringlichkeit zu sortieren. Pausenzeiten und der Zeitpunkt des Feierabends sollten ebenfalls festgelegt werden. Um den Arbeitstag darüber hinaus produktiv zu gestalten, sollten keine Feierabendtätigkeiten wie Aufräumen, Staubsaugen oder Wäsche waschen in die Arbeitszeit gelegt werden.
  • Erholsame Pausen: Liegen Krümel zwischen den Buchstaben auf der Tastatur oder zieren Kaffeeflecken das Mauspad? Höchste Zeit die Pausen erholsamer zu verbringen und den Arbeitsplatz kurz zu verlassen! Hier bietet es sich ebenfalls an, sich mit Kollegen zu einer virtuellen Pause zu verabreden. Umso angenehmer der Arbeitsalltag gestaltet ist, umso weniger Erholung wird nach Feierabend benötigt!

Hilfreiche Routinen für den Feierabend

Nachdem nun ein erfolgreicher Arbeitstag zu Ende geht, ist es sehr wichtig eine klare Grenze zwischen Arbeit und Privatem zu schaffen. Nur so kann eine gesunde Work-Life-Balance bestehen, die langfristig vor allem psychisch gesund hält. Doch wie gelingt der Wechsel von der Arbeit in den Feierabend im Homeoffice? Und wie lässt sich der Feierabend maximal erholsam und ressourcenstärkend gestalten?

Pünktlich Feierabend machen

Wie bereits erwähnt, ist eine feste Zeit für den Feierabend enorm wichtig und gelingt nur mit einer gut organisierten Tagesstruktur. Für viele ist der Arbeitstag nämlich erst vorbei, wenn nicht die acht Stunden Arbeit vorbei sind, sondern alle Aufgaben erledigt sind. Es ist wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass man wohl nie so richtig fertig ist und auch wenn man das Büro verlässt mal Arbeit liegen bleibt. Dort fällt es vielen leichter pünktlich in den Feierabend zu gehen, da Kollegen auch zu einer festen Zeit das Büro verlassen und tatsächlich physisch die Tür zur Arbeit geschlossen werden kann. Was auch im Homeoffice helfen kann, pünktlich Feierabend zu machen, sind feste Termine oder Verabredungen.

Schreibtischhygiene
Genauso wie der Arbeitsplatz hinterlassen wird, so wird er auch am nächsten Tag vorgefunden. Um den Feierabend einzuläuten empfiehlt es sich alle Unterlagen zu sortieren, Notizzettel zu entsorgen und auch auf dem Computer alle Dateien ordnungsgemäß zu speichern und zu schließen. Schließlich sollte auch der Rechner einmal ganz heruntergefahren werden.

Stummschalten aller Benachrichtigungen und Geräte

Es ist natürlich schwierig, wenn sowohl beruflich, als auch privat die gleichen Geräte genutzt werden. Bei Computern kann in dem Fall ein zweites Profil anlegt werden, bei Mobilgeräten eine zweite Sim Karte oder sogar ein separates Firmenhandy genutzt werden. Gerade für Personen, die beruflich viel kommunizieren oder auf Social Media unterwegs sind, ist das Stummschalten aller Geräte wieder ein Symbol dafür die Arbeit hinter sich zu lassen und sich eine Auszeit zu gönnen. Positiver Nebeneffekt: Auch den Augen wird so eine Pause von den Bildschirmen gegönnt.

Die (gedankliche) Tür zu Arbeit schließen

Und jetzt wo alles weggeräumt, stumm geschaltet und geschlossen ist folgt die nächste Empfehlung zum Abschalten: Verlassen sie auch physisch den Arbeitsplatz und schließen, insofern es geht, auch wirklich die Tür hinter sich. Auch wenn kein separates Arbeitszimmer vorhanden ist, sollte wenigstens versucht werden den Ort, wo gearbeitet wurde, für eine Stunde zu verlassen um gedanklich Abstand zu nehmen. Gerade wenn Wohnen und Arbeiten räumlich so nah beieinander ist, kann es sogar helfen sich vorzustellen man würde das Büro verlassen und abschließen. Umso öfter dieser Trick wiederholt wird, umso besser wird es funktionieren. Mobile Arbeitsgeräte können auch in den Schrank geräumt werden, damit sie für den Rest des Abends aus dem Sichtfeld verschwinden.

Outfitwechsel

Kleider machen Leute. Es ist schon lange bekannt, dass es sich auch im Homeoffice deutlich effektiver arbeitet, wenn man nicht den Pyjama trägt, sondern sich herrichtet. Genauso funktioniert es auch umgekehrt: Nach dem Verlassen des Arbeitsplatzes kann der Feierabend auch optisch signalisiert werden. Und auch wenn die Kleidung, die Zuhause zum Arbeiten getragen wird, vielleicht nicht ganz so schick wie im Büro ist, stellt der Wechsel trotzdem ein wichtiges Signal für das Gehirn dar.

Meditation
Unzählige Studien belegen, dass Meditieren stressreduzierend wirkt und hilft abzuschalten. Diese Entspannungsroutine kann eine hilfreiche Technik sein um den Wechsel von der Arbeit zum Feierabend zu schaffen. Dabei sind die Zeit, die meditiert wird oder die Art der Meditation gar nicht so entscheidend, wichtig ist die Regelmäßigkeit und das bewusste Wegführen der Gedanken von allem, was mit der Arbeit zu tun hat. Meditation kann darüber hinaus nicht nur den Feierabend einläuten, sondern auch wieder Ressourcen für den nächsten Arbeitstag aktivieren.

Körperliche Betätigung

Wenn aktive Entspannungsübungen nichts für einen sind, hilft vielleicht Auspowern zum Abschalten! Die Meisten sitzen viel im Homeoffice und Bewegung hilft den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen sowie den Kopf frei zu bekommen. Hierbei kann die körperliche Betätigung ganz vielfältig gestaltet werden: Ob es die Runde mit dem Hund durch den Wald ist, ein Besuch im Fitnessstudio, Fahrradfahren im Stadtpark oder zum Lieblingslied durch die Wohnung tanzen. Sobald sich bewegt wird, werden die Glückshormone Serotonin, Dopamin und Endorphin ausgeschüttet und lassen keinen Platz mehr für ein Gedankenkreisen rund um die Arbeit.

Auch, wenn nun alle genannten Routinen Schritt für Schritt etabliert werden, wird es realistisch betrachtet immer noch zeitweise so sein, dass im Feierabend an die noch zu erledigenden Aufgaben gedacht wird oder auch mal länger gearbeitet wird – und das in Ordnung. Es geht nicht darum alle Ratschläge sofort umzusetzen, sondern sich das herauszusuchen was zu einem persönlich passt und am besten funktioniert. Und das braucht manchmal Zeit.

Quellenangaben
  • Deutscher Gewerkschaftsbund: https://index-gute-arbeit.dgb.de/++co++cc6b2888-b0fa-11ec-ac1a-001a4a160123, Abruf am 21.09.2022.
  • Landes, Miriam, Steiner, Eberhard; Utz, Tatjana & Wittmann, Ralf: Erfolgreich und gesund im Homeoffice arbeiten. Wiesbaden, 2021.

Kategorien: Burnout Depressionen

Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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