Digitaler Stress und Burnout-Gefahr

Haben Sie das Gefühl, ihr Leben wird immer mehr durch digitale Medien bestimmt? Empfinden Sie Stress durch den ständigen Blick auf das Smartphone? Sie sind nicht allein! Unser Arbeits- und Privatleben hat sich durch die Digitalisierung drastisch gewandelt und das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.

Veränderte Arbeitsbedingungen durch digitalen Stress – Burnout-Gefahr

Kaum einer kommt im Berufsleben noch ohne Laptop, PC, Tablet und Smartphone aus. Der „normale Wahnsinn“ wird durch digitalen Stress verschärft, wodurch die Gefahr eines Burnouts steigt.

Was erzeugt digitalen Stress?

Die Studie PräDiTec, gefördert durch das Ministerium für Bildung und Forschung, steht unter dem Motto „Gesund digital arbeiten?! Eine Studie zu digitalem Stress in Deutschland“ und hat den Zusammenhang zwischen digitalen Arbeiten und der Gesundheit umfassend erforscht (FIT, 2019). Den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Folge führen vor allem folgende Faktoren zu digitalem Stress auf der Arbeit:

  • die Omnipräsenz der digitalen Medien
  • das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit
  • kürzere Reaktionszeiten
  • Auflösen der Grenzen zwischen Arbeits- und Berufsleben
  • Reizüberflutung
  • das Gefühl, aufgrund der höheren Menge an bereitgestellten Informationen mehr und schneller arbeiten zu müssen
  • Leistungsüberwachung durch digitale Technologien
  • Verletzung der Privatsphäre

Erschreckenderweise ist jeder dritte Befragte mindestens einem der Belastungsfaktoren ausgesetzt und jeder fünfte nimmt starken digitalen Stress wahr. Die komplette Studie ist unter https://gesund-digital-arbeiten.de/ frei verfügbar.

Auch zuhause hört digitaler Stress nicht auf

Die Digitalindustrie setzt einiges daran, unsere Aufmerksamkeit auf ihre Apps zu richten und nutzt dafür Eye-Catcher wie blaue Häkchen, rote News-Anzeigen, blinkende Lichter und Push-Up Benachrichtigungen. Wir werden also darauf trainiert, unsere wertvolle Zeit ständig dem Smartphone zu widmen. So wird auch unsere Freizeit zur Smartphone-Zeit.

Druck durch das Smartphone

Es ist verrückt, wie es das Smartphone geschafft hat, unser Leben so stark zu beeinflussen. Vor circa 20 Jahren hatten die wenigsten Menschen ein Handy, heute besitzen laut www.statista.de 81% der Deutschen ein internetfähiges Mobiltelefon. Die digitale Kommunikation kann teilweise ziemlichen Druck ausüben: Bestimmt erwischen Sie sich auch manchmal dabei, dass Sie von Ihren Mitmenschen schnelle Antworten auf Fragen und Informationen erwarten und machen sich daher auch selbst den Druck, so schnell wie möglich zu antworten.

Der Erwartungsdruck des sofortigen Antwortens, sobald das Smartphone vibriert, wird immer höher und digitaler Stress entsteht! Die digitalen Medien sind also nicht nur Zeitfresser, sondern auch Druckmacher.

Warum wir das Smartphone so schlecht ignorieren können

Zwar sind wir manchmal genervt von uns und anderen, dass wir uns so durch das Smartphone ablenken lassen, aber wir schaffen es trotzdem nicht, uns zu disziplinieren. Dies liegt zum Teil daran, dass die ständige digitale Kommunikation uns regelrecht „süchtig“ gemacht hat. Man hat Angst etwas zu verpassen. Jedes Klingeln, Vibrieren oder Blinken löst in uns eine angenehme Neugierde aus, wer wohl mit uns in Kontakt treten möchte. Der Blick aufs Handy hat also einen belohnenden Charakter, der Glücksgefühle in uns auslöst. Dadurch wird der Smartphone-Konsum an sich verstärkt.

Was macht digitaler Stress mit unserer Psyche?

Unser Gehirn ist dieser ständigen Informationsflut jedoch nicht gewachsen, denn es passt sich nur sehr langsam veränderten Lebensbedingungen an. Die digitale Revolution hat unsere Verarbeitungsfähigkeit also überholt. Dadurch entsteht Stress, welcher bekannterweise schädlich für unsere Psyche ist.

Hohes Risiko für Burnout

Kollidiert hoher digitaler Stress mit weiteren Risikofaktoren für Burnout, steigt das Erschöpfungs-Risiko. Er kann sozusagen das Zünglein an der Waage sein, das zu einem Zusammenbruch führt.
Die bereits erwähnte PräDiTec-Studie hat herausgefunden, dass vor allem eine hohe Anzahl verschiedener digitaler Technologien den Stress intensiviert. Denn je mehr neue Technologien hinzukommen, desto weniger können sich Arbeitnehmer über ihre Anwendung informieren. In Folge dessen steigt die Verunsicherung und mit ihr das Stressgefühl.

Abhilfe durch „Digital Detox“

Was können wir gegen den steigenden digitalen Stress tun? Auf der Arbeit sind wir oft gezwungen, digitale Technologien zu nutzen. In unserer freien Zeit hingegen, können wir die Nutzung selber bestimmen. Eine gute Möglichkeit mal Abstand von den digitalen Medien zu nehmen ist mit Hilfe eines „Digital Detox“.

Was bedeutet „Digital Detox“?
Digital Detox bedeutet, dass man sich für einen bestimmten Zeitraum in eine Entziehungskur von digitalen Medien und digitaler Kommunikation begibt. Dabei sind der Zeitraum und das Ausmaß des Verzichts frei wählbar. Ein denkbares Vorgehen besteht darin, zwar dringende Telefonate führen oder wichtige Nachrichte zu versenden, aber Apps wie Whats-App, Facebook, Twitter, Instagram und Snapchat ruhen zu lassen – also alles, was nicht zur direkten und notwendigen Kommunikation gehört.

Warum sollte ich „Digital Detox“ betreiben?
Über die schädlichen Auswirkungen der ständigen Erreichbarkeit und des Kommunikationsdrucks sind Sie sich bewusst bewusst, wissen aber noch nicht genau, wie Sie der digitalen Reizüberflutung entkommen sollen?

Vielleicht hilft es, Digital Detox als eine Art Experiment zu betrachten. Ein Experiment, wie es sich auf unsere Wahrnehmung und unser Empfinden auswirken könnte, wenn wir eine Zeit lang ganz bewusst die Entscheidung treffen, auf Handy, Tablets und Pcs und die damit verbundene konstante Ablenkungen zu verzichten. Vielleicht nehmen wir wahr, dass wir viel mehr Aufmerksamkeit auf unsere Umwelt und den derzeitigen Moment richten und so zu mehr Präsenz gelangen. Mehr über die Vorteile von Präsenz und Achtsamkeit finden Sie hier.

Tipps & Tricks für die Smartphone-Entziehungskur

Hier finden Sie eine Reihe von Tipps und Hinweisen, die einen Digital Detox erleichtern können:

  • Entwickeln Sie zunächst ein Gespür dafür, wann Sie völlig automatisiert zum Smartphone greifen, obwohl keine dringende Notwendigkeit dafür besteht. So schaffen Sie ein Bewusstsein für ihren Smartphone-Konsum.
  • Wenn Sie dann den Automatismus spüren und kurz davor sind, zum Handy zu greifen, atmen Sie bewusst tief ein und aus. So schaffen Sie eine Unterbrechung des Musters und erweitern ihren Handlungsspielraum. Warum nicht statt Smartphone die Umgebung betrachten? Die Atmung wahrnehmen? Den Rücken lockern? Die Hände eincremen?
  • Ersetzen Sie Funktionen des Smartphones durch andere Alltagsgegenstände: Wecker, Armbanduhr, Taschenrechner, Taschenlampe, Stadtplan, Radio, Kochbuch, Wörterbuch, Stoppuhr… All das gibt es auch in analog!
  • Stellen Sie Push-Nachrichten, die direkt auf dem Display erscheinen und unsere Aufmerksamkeit anziehen, aus. Auch das Ausstellen von Ton und Vibration kann helfen, nicht ständig auf das Smartphone zu sehen
  • Es gibt Apps, die uns unseren Smartphone-Konsum bewusst machen und ihn im Hintergrund aufzeichnen (z.B. QualityTime, Space, Forest…). Die Ergebnisse können ganz schön erschreckend sein… Was schätzen Sie: Wie oft entsperren Sie ihr Handy am Tag?
  • Schaffen Sie Orte, an denen das Smarthone tabu ist. Z.B. den Esstisch, das Bett, die Couch…
  • Machen Sie ihre Freizeit zur Smartphone-frei-Zeit. Überlegen Sie, welche Aktivitäten Sie gerne machen, z.B. Lesen (Buch, Zeitung, Zeitschrift), Basteln, Kochen, Backen, Träumen…
  • Wenn konzentriertes Arbeiten notwendig ist, legen Sie das Smartphone außer Reichweite ihres Schreibtisches. Das erhöht die Hemmschwelle der Ablenkung durch das Gerät.
  • Nutzen Sie ab und zu den Flugmodus – oder direkt die Ausschalttaste.
  • Sprechen Sie ihre neue Digital Detox Strategie mit Freunden, Familie und Kollegen ab. So können Sie erklären, warum Sie nicht direkt auf Nachrichten antworten und nehmen so den Druck heraus.

Egal, ob Sie diesen Artikel am Handy oder Laptop gelesen haben: Legen Sie ihr Smartphone nun für einen Augenblick aus der Hand oder klappen Sie den Laptop zu. Wie ist eigentlich das Wetter draußen? Wie fühlt sich der Körper an? Müssen Sie sich vielleicht mal dringend strecken oder eine Runde um den Block gehen…?

Quellenangaben

(1) Meditation, Coaching und Life – Digital Detox, Podcast von Michael Kurth (Curse) – hochgeladen am 09.08.2017. verfügbar bei spotify.com

(2) Gimpl, Lanzel, Regal, Urbach, … & Derra (2019). Gesund digital arbeiten?! Eine Studie zu digitalem Stress in Deutschland. Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT

Kategorien: Burnout

Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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