Wir haben ziemlich ähnliche Wunschvorstellungen, was das Leben im Alter betrifft. Wir möchten fit die neu gewonnene Zeit im Ruhestand genießen, sie mit Familie und Freunden verbringen und den letzten Lebensabschnitt in vollen Zügen genießen. Doch das Alter bringt auch neue Herausforderungen mit sich und kann die Psyche stark beeinflussen. So birgt der neue Lebensabschnitt ein erhöhtes Risiko, an einer Altersdepressionen zu erkranken: Jeder sechste Patient über 65 leidet unter Depressionssymptomen (Bickel, 2003: Zahlen aus der allgemeinärztlichen Versorgung).
Aus der Häufigkeit des Auftretens lässt sich schließen, dass im Grunde genommen jeder an einer Depression im Alter erkranken kann. Doch was bedingt das erhöhte Erkrankungsrisiko? Zur Beantwortung dieser Frage sind -wie so oft in der Psychologie- viele Faktoren zu beachten. Das Alter ist zunächst einmal für alle Menschen eine Zeit des Umbruchs, in der das Leben neu sortiert werden muss. So ist zum Beispiel die Verabschiedung in den Ruhestand für viele Berufstätige ein ebenso herbeigesehnter wie gefürchteter Moment.
In solchen Zeiten ist die Psyche generell verletzlicher. Dieses Phänomen ist auch in anderen Phasen des Wandels beobachtbar, beispielsweise beim Schuleintritt, der Pubertät, dem Eintritt ins Berufsleben und der Elternschaft. Die Wissenschaft nennt solche Wechselpunkte im Leben „life events“. Während und kurz nach eines solchen „life events“ – wozu auch der Eintritt ins Rentenalter zählt – steigt das Risiko für psychische Erkrankungen.
Neben der somit allgemein erhöhten Anfälligkeit für eine Depression bestehen altersspezifische Risikofaktoren, die die Entstehung einer Depression begünstigen können:
Häufig unerkannt: Depressionen im Alter
Ein häufiges Problem bei Altersdepressionen ist, dass sie nicht frühzeitig erkannt oder gar bagatellisiert werden. Die Symptome werden zum Beispiel nicht bemerkt, weil das Hauptaugenmerkt im Alter oft auf somatischen Beschwerden liegt. Außerdem werden verringerter Antrieb und mangelnde Freude von vielen als „normal“ für das fortschreitende Alter angesehen. Oft besteht auch schlicht und einfach ein Informationsdefizit bei Angehörigen und Betroffenen selbst. Hinzu kommt, dass das Thema Depressionen immer noch mit einem Tabu behaftet ist, was vor allem für ältere Generationen gilt.
Wichtig: Die Abgrenzung von Depressionen zu einer beginnenden Demenz ist schwierig, denn die Symptome ähneln sich. Depressionen können beispielsweise eine „Pseudodemenz“ auslösen. Darunter versteht man eine Vergesslichkeit und Verwirrtheit, die nicht auf eine Reduzierung des Gehirnvolumens zurückgeht, sondern auf den depressionsbedingt mangelnden Antrieb und die fehlende Motivation. Als Anhaltspunkt zur Unterscheidung kann dienen, dass mit einer Demenz eine räumliche und zeitliche Orientierungsschwäche einhergeht.
Welche Symptome sollten Angehörige oder Betroffene aufmerksam machen? Neben den typischen Depressionssymptomen, wie unter anderem Antriebslosigkeit, verringerte Freude, Gefühle von Schuld- und Wertlosigkeit, Veränderung des Appetits, sind im Alter folgende Alarmzeichen für eine Depression zu finden:
• Beschwerden (Kopf-, Gelenk-, Herz oder Rückenschmerzen), für die keine eindeutige körperliche Ursache gefunden werden kann
• Vernachlässigung des Haushalts und der Körperhygiene
• vermehrte Gedanken und Äußerungen über das Sterben und den Tod
Unterschied zu Depressionen in anderen Altersspannen
Im Gegensatz zu Depressionen bei jüngeren Erwachsenen äußern sich Altersdepressionen stark auf körperlicher Ebene. Das heißt, psychosomatische Beschwerden, Schlafstörungen, Appetitmangel und damit verbundener rapider Gewichtsverlust und Bewegungsunfähigkeit sind häufig zu finden und sollten in Bezug auf eine mögliche Depression sehr ernst genommen werden.
Zunächst einmal ist es von großer Bedeutung, sich über das Thema zu informieren und sich des steigenden Risikos für Depressionen im Alter bewusst zu sein. Wenn der akute Verdacht besteht, dass ein älteres Familienmitglied oder Freund unter einer Depression leidet, sollten Angehörige die betreffende Person darauf ansprechen und möglicherweise das gemeinsame Gespräch mit dem Hausarzt suchen. Dieser kann dann eine Psychotherapie und eine medikamentöse Einstellung in die Wege leiten. Auch ältere Menschen profitieren von Psychotherapie und können durch eine angemessene Behandlung viel Lebensqualität dazu gewinnen.
Angehörige können außerdem ihre Hilfe anbieten, Verständnis zeigen und zu gemeinsamen Aktivitäten anregen. Weitere wichtige Hinweise zum Umgang mit an Depressionen erkrankten Personen finden Angehörige in unserem Blogbeitrag oder bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Zuletzt sei gesagt, dass es im Umgang mit den Betroffenen immer wichtig ist, dass der Person, wenn auch fortgeschrittenen Alters, mit Respekt und auf Augenhöhe begegnet wird. Denn zum „in Würde altern“ gehört auch psychische Gesundheit und Unterstützung.
Kategorien: Depressionen