Gemeinsam durch schwere Zeiten: Wie Sie Angehörigen bei einer Depression helfen können

Erkrankt eine Person an Depressionen, fühlen sich ihre Angehörigen oft hilflos und verzweifelt. Der geliebte Mensch verändert sich, kann nicht mehr so wie im gesunden Zustand am Leben teilhaben und leidet offensichtlich. Man wünscht sich eine Zauberformel, um die Krankheit zum Verschwinden zu bringen. Auch wenn es diese Zauberformel leider nicht gibt, können Sie trotzdem einiges für die betroffene Person tun. Wie Sie Ihre Angehörigen unterstützen können, welche Schwierigkeiten auftreten können und wie Betroffene selbst die Situation erleben, lesen Sie hier!

Der Umgang mit Depressiven

Wenn eine nahestehende Person mit einem Beinbruch im Bett liegt, wissen wir genau, was zu tun ist. Man bietet Hilfe beim Einkaufen, im Haushalt oder bei Arztbesuchen an. Ein gebrochenes Bein ist sichtbar und die Beeinträchtigung im Alltag offensichtlich. Aber eine Depression? Die sieht man nicht direkt. Wir haben meist kein Schema F im Kopf, wie mit der Erkrankung umzugehen ist. Ein erster wichtiger Punkt ist der offene Umgang mit der Depression. Wenn Sie nicht mehr wie ein Elefant im Raum steht, ist der erste Schritt getan.

Die Depression thematisieren

Sprechenden Menschen kann geholfen werden: Das sind wahre Worte für Betroffene, aber auch für Freunde oder Familie. Wenn Sie merken, dass es Ihrem Angehörigen nicht gut geht oder Sie bereits von der Diagnose Depression wissen, sollten Sie das Thema nicht vermeiden oder umständlich umgehen.

Behalten Sie Folgendes im Hinterkopf, um sich selbst das Gespräch zu erleichtern:

  • Eine Depression ist eine Erkrankung wie jede andere auch.
  • Ihr Gegenüber ist kein völlig anderer Mensch.
  • Er oder sie hat zwar eine depressive Erkrankung, ist aber viel mehr als nur diese Krankheit.
  • Es könnten auch der oben genannte Beinbruch, eine schwere Grippe oder jede andere Krankheit sein.
  • Eine Depression kann man also ebenso direkt ansprechen, wie andere Arten von Erkrankungen auch.

Sprechen Sie Fragen oder Ihre eigene Unsicherheit ganz offen an.

Im Gespräch mit depressiven Personen

Es ist toll, wenn Sie als Angehöriger das Gespräch mit der betroffenen Person suchen. Wenn Sie unsicher sind, wie Sie sich verhalten sollen, dann sprechen Sie es ruhig an. Ihr Gegenüber kann Ihnen bestimmt viele Sorgen nehmen. Versuchen Sie, wie sonst auch, ein gutes Gespräch zu führen. Augenkontakt halten, ausreden lassen, zuhören: Die wichtigsten Gesprächsregeln gelten eben in jeder Situation!

Es ist sehr unterschiedlich, ob Sie bei der depressiven Person auf viel oder wenig Redebedarf stoßen. Sie werden als Angehöriger schnell merken, ob die erkrankte Person über die Depression sprechen möchte, oder eher nicht. Manchmal kann es auch hilfreich oder unterstützend sein, gemeinsam zu schweigen oder über andere Themen zu reden. Manche Dinge, die die depressive Person äußert, werden Sie nicht nachvollziehen oder gutheißen können. Es kann Ihnen schwerfallen zu hören, mit welchen negativen Gefühlen die Person zu kämpfen hat. Versuchen Sie, diesen Gefühlen bei sich selbst und beim Gegenüber Raum zu geben, nachzuhaken und nachzuempfinden.

Depression: Hilfe durch Angehörige

Wahrscheinlich empfinden Sie nach dem Gespräch mit der an Depressionen erkrankten Person als Angehöriger das Bedürfnis, konkret zu helfen. Und das können Sie auch! Natürlich immer in Absprache mit der betroffenen Person. Idealerweise ist Ihre Hilfe ein Angebot, das angenommen, aber auch ohne weitere Konsequenzen abgelehnt werden kann.

Viele depressive Personen sind im Alltag stark beeinträchtigt. Auch für Außenstehende scheinbar kleine Aufgaben bereiten den Betroffenen Mühe und kosten Überwindung. Denn die Symptome einer Depression sind unter anderem Antriebsminderung und Energiemangel. Oft haben sich schon vorher unerledigte Aufgaben oder Pflichten angesammelt, und jetzt, im akuten Stadium der Krankheit, erscheinen diese schier unüberwindbar.

Den Alltag depressiver Patienten erleichtern

Kleine Hilfestellungen im Alltag können schon eine immense Last von den Schulten des Betroffenen nehmen. Vielleicht stehen Aufgaben im Haushalt oder Papierkram an, die sich angehäuft haben?

  • Die Wohnung saugen
  • Bettwäsche waschen
  • Altglas wegbringen?

Fragen Sie einfach nach, ob es Dinge gibt, die Sie erledigen können. Genau diese Kleinigkeiten helfen dabei, einen Angehörigen mit einer Depression zu entlasten.

Seien Sie verständnisvoll und unterstützen Sie Ihren Angehörigen im Alltag.

Es kann ebenso erleichternd sein, wenn man den Betroffenen zu Terminen beim Arzt, Psychotherapeuten oder bei Behördengängen begleitet. Dies gibt der Person die Sicherheit und die Gewissheit, nicht allein zu sein. Auch bei Besorgungen aller Art können Sie unterstützen. Fragen Sie nach, ob die Person etwas braucht. Es sind manchmal Kleinigkeiten, die Ihrem Freund, Partner oder Vater fehlen.

Was Betroffene brauchen

Neben den Alltagsaufgaben ist auch das Essen bei depressiven Personen oftmals ein schwieriges Thema. Es fehlt die Energie, sich gesund zu ernähren und frisch zu kochen. Vielleicht können Sie gemeinsam einkaufen gehen und dann eine gesunde Mahlzeit zubereiten. Möglicherweise haben Sie schon bemerkt, dass es depressiven Personen oft schwerfällt, sich zu entscheiden. Schlagen Sie doch einfach ein passendes Rezept vor und besorgen Sie dann gemeinsam alles Notwendige für ein schönes Frühstück, Mittag- oder Abendessen.

Häufig kommen auch frische Luft, Bewegung und Tageslicht zu kurz. Spaziergänge oder Radtouren helfen, einfach mal vor die Tür zu kommen und etwas anderes zu sehen. Ob dabei geredet oder geschwiegen wird, ist ganz unterschiedlich und beides vollkommen in Ordnung.

Hilfreiche Fragen für Angehörige

  • Was brauchst du, damit es dir jetzt im Moment ein klein wenig besser geht?
  • Gibt es etwas, dass dir gerade Freude bereiten würde?
  • Gibt es konkrete Sorgen, die du mit mir teilen möchtest?
  • Was ist für dich jetzt hilfreich?
  • Über was grübelst du gerade am meisten nach?
  • Brauchst du etwas (aus dem Supermarkt, Drogerie, Baumarkt…)?
  • Stehen Entscheidungen an, bei denen du Unterstützung brauchst?

Wichtig: Hilfe anbieten aber nicht aufdrängen!

Egal, in welcher Form Sie als Angehöriger der betroffenen Person mit einer Depression unter die Arme greifen, es sollte sich immer um ein Angebot handeln. Vermeiden Sie es, Ihre Hilfe aufzudrängen und seien Sie nicht böse, wenn auch mal ein Hilfsangebot ausgeschlagen wird.

Wenn’s mal kniffelig wird…

Betroffene und Angehörige befinden sich während einer Depression in einer Extremsituation. Es kann schon mal schwierig werden, wenn die Nerven auf beiden Seiten blank liegen. Denken Sie daran, sich selbst und Ihrem Gegenüber genügend Zeit für sich allein einzuräumen. Jeder von uns hat andere Bedürfnisse nach Gesellschaft oder Ruhe, Nähe oder Distanz. Auch über Konflikte sollte frühzeitig und offen geredet werden.

Wertschätzung und Anerkennung

Beachten Sie stets, dass auch wenn die Person im Moment krank ist, sie doch eine selbstständige und wertvolle Person ist. Erkennen Sie an, dass es diese Krankheit gibt und dass ihr Gegenüber sich diese Krankheit nicht selbst ausgesucht hat. Horchen Sie in sich selbst hinein, was Ihnen in schwierigen Situationen guttun würde oder in der Vergangenheit geholfen hat. Mit Sicherheit werden auch Sie immer lieber auf Augenhöhe wahrgenommen und in Ihren Bedürfnissen unterstützt.

Vergessen Sie nie sich selbst!

Auf sich selbst achten

Niemandem ist damit gedient, wenn Sie sich zu viel aufbürden und ebenfalls körperlich oder psychisch erkranken. Nur wenn Sie auf sich selbst achten, können Sie auch auf andere achtgeben. Es ist Ihnen hoch anzurechnen, dass Sie sich um Ihren Angehörigen kümmern und ihn oder sie unterstützen. Auch wenn es manchen Betroffenen schwerfällt, ihre Dankbarkeit zu zeigen, können Sie sich dieser Dankbarkeit sicher sein.

Informierte Angehörige von Betroffenen einer Depression

Was können Sie konkret noch beachten? Informieren Sie sich über das Krankheitsbild der Depression! Es gibt unzählige empfehlenswerte Bücher, Hörbücher oder Ratgeber über das Thema Depression. Oft sind es Erfahrungsberichte von anderen Betroffenen, die uns die Augen dafür öffnen, was in unserem Gegenüber vorgeht. Für ein paar erste Beispiele klicken Sie ganz einfach auf den jeweiligen Link und lassen Sie sich inspirieren!

Wenn Sie über die Erkrankung informiert sind, können Sie besser einschätzen, was der geliebten Person hilft. Sie wissen über Möglichkeiten der Psychotherapie Bescheid und können besser beurteilen, welche Behandlung vonnöten ist. Wenn die depressive Person Medikamente nehmen muss, können Sie sie unterstützen, indem Sie die Beipackzettel aufmerksam lesen und Erinnerungshilfen geben, sobald die Medikamente eingenommen werden müssen.

Zusammen ist man stark

Zum Abschluss sei betont, dass wir Menschen gegenseitige Hilfe und Unterstützung benötigen. Jeder kann von jetzt auf gleich in eine schwierige Situation kommen, in der er oder sie Hilfe benötigt. Aber jede Krise birgt auch eine Chance: Die Chance auf Zusammenhalt, Vertrauen und gemeinsame Erfahrungen. Gemeinsam durch schwere Zeiten zu gehen schweißt zusammen. Eine depressive Episode geht vorbei und danach warten helle Zeiten gemeinsam mit Ihrer geliebten Person!

Quellenangaben

(1) Ehlers, A., & Clark, D. M. (2000). A cognitive model of posttraumatic stress disorder. Behaviour research and therapy, 38(4), 319-345.

(2) Foa, E. B., & Kozak, M. J. (1986). Emotional processing of fear: exposure to corrective information. Psychological bulletin, 99(1), 20.

(3) Wittchen, H. U., & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie (Vol. 1131). Heidelberg: Springer.

Kategorien: Depressionen

Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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