Kurzfristige Schmerzen kennen wir alle. Der Rücken, der Kopf, die Gelenke – ab und zu meldet sich unser Körper und sendet uns ein Warnsignal, dass etwas nicht stimmt. Mal mangelt es an Bewegung, mal steigt uns der Stress zu Kopf, manchmal ist der Schmerz ein Zeichen für eine ernsthafte Erkrankung.
Meistens bekommen wir die Schmerzen mit der richtigen Behandlung und etwas Geduld wieder in den Griff. Was jedoch, wenn dies nicht gelingt? Spätestens dann sollte eine ganzheitliche Behandlung in die Richtung der Psychosomatik in die Wege geleitet werden, in der chronische Schmerzen auf körperlicher und psychischer Ebene betrachtet werden.
Schmerz gilt als chronisch, wenn er länger als sechs Monate anhält. Chronisch oder chronifiziert bedeutet außerdem, dass die Schmerzen ihre ursprüngliche Warn- bzw. Signalfunktion verloren haben. Sie machen dann nicht mehr auf ein akutes „Problem“ im Körper aufmerksam, sondern haben sich verselbstständigt. Die dauerüberreizten Nerven senden Schmerzsignale, auch wenn diese körperlich nicht mehr zu begründen sind. Die Schmerzen treten dann häufig in Schüben auf. Diese Schübe können unter anderem durch Stress, Fehlbelastung oder falsche Ernährung getriggert werden.
Exkurs: Seit kurzem wird chronischer Schmerz nicht nur als Symptom einer Grunderkrankung (s.u.), sondern als eigenständige Erkrankung anerkannt. Diese Erkrankung trägt den Namen „chronische Schmerzstörung“. Dies hat Vorteile für die Abrechnung der notwendigen Therapiemaßnahmen mit der Krankenversicherung.
Typische Erkrankungen mit chronischen Schmerzen
Es gibt unterschiedliche Ursachen für die Entwicklung einer chronischen Schmerzstörung. Zum einen kann sich eine Schmerzstörung parallel zu einer Erkrankung entwickeln, die selbst chronisch ist. Zum anderen kann sich ein akuter Schmerz chronifizieren, selbst wenn die eigentliche Ursache behoben ist. Des Weiteren können psychische Krankheiten und Krebserkrankungen eine chronische Schmerzstörung auslösen. Folgende Erkrankungen führen besonders häufig zu chronischen Schmerzen:
Medizinische Behandlungsansätze der chronischen Schmerzen
Bei der medizinischen Behandlung dreht es sich einerseits um die fachgerechte Behandlung der körperlichen oder psychischen Ursache der Schmerzen. So bekommen die Patienten je nach zugrundeliegender Krankheit passende Medikamente verschrieben, wie beispielsweise anti-entzündliche Mittel bei rheumatischen Beschwerden. Zudem werden die Schmerzen an sich behandelt.
Hierzu werden Schmerzmittel eingesetzt, wie Paracetamol oder Opioide. Hinzu kommen begleitende Therapiemaßnahmen, wie die Gabe von Antidepressiva zur Behandlung psychischer Begleiterscheinung von Schmerzen. Als besonders wichtig in der Schmerzbehandlung haben sich komplementäre Behandlungen wie Physiotherapie, Sporttherapie und Akupunktur erwiesen.
Der individuelle Umgang mit einer chronischen Schmerzstörung ist für den das Ausmaß des empfundenen Leidensdrucks entscheidend. Daher spielt die Psyche bei einer chronischen Schmerzstörung eine besondere Rolle. Es treten verschiedene Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche auf, hier ein Beispiel für eine mögliche Wechselwirkung:
Dauerhafter Schmerz führt zu psychischem Stress und Leidensdruck -> Psychischer Stress senkt die Schmerztoleranz -> Reaktion bereits bei kleinsten Schmerzsignalen -> Schmerzen werden negativ bewertet -> Psychischer Stress entsteht -> …
Durch die Wechselwirkung von Schmerz und psychischer Bewertung entsteht eine ganze Bandbreie von negativen Gefühlen und Gedanken. In der Wortwolke haben wir typische Gedankenfetzen, Gefühle, Sorgen und Themen gesammelt, die bei einer chronischen Schmerzstörung an der Tagesordnung sind.
Einfluss auf das gesamte Leben
Halten die chronischen Schmerzen an, kann der Leidensdruck ins Unermessliche steigen. Nicht selten gehen Arbeitsplatzverlust und Vereinsamung mit der Erkrankung einher. Betroffene ziehen sich zurück, um den Personen in ihrem Umfeld nicht zur Last zu fallen. Sie schämen sich für ihre Erkrankung und hadern mit ihrem Schicksal. Dabei ist gerade solches Verhalten ungünstig für die Entwicklung der Schmerzstörung. Die psychosomatische Behandlung versucht, diese ungünstigen Bewältigungsstrategien zu verändern und hilft Betroffenen, ihre Lebensqualität wieder zu erhöhen.
Die psychosomatische Behandlung bei chronischen Schmerzen geht ganzheitlich an die Erkrankung heran. So werden einerseits die körperlichen Ursachen behandelt (Soma) und andererseits die psychischen Auswirkungen der Schmerzstörung individuell beleuchtet (Psyche). Die Betroffenen erlernen Coping-Strategien im Umgang mit ihrer Erkrankung und reaktivieren Ressourcen und Kraftquellen aus der Zeit vor der Erkrankung. Folgende drei Bausteine sind essenziell in der psychosomatischen Therapie chronischer Schmerzen.
Akzeptanz und Loslassen
Es klingt paradox, aber häufig hilft es, den innerlichen Kampf gegen die Schmerzen aufzugeben. Die neue Grundhaltung der Akzeptanz und des Loslassens kann die Kraft, die vorher im Kampf gegen den Schmerz nutzlos verbraucht wurde, neu bündeln. Diese Kraft kann nun eingesetzt werden, sich den verbliebenen schönen Dingen des Lebens zuzuwenden. Um diese Akzeptanz zu lernen, helfen Verfahren wie die Achtsamkeit oder die Meditation.
Exkurs: Der Ansatz der Akzeptanz soll nicht vermitteln, dass die Schmerzen irrelevant oder das Leid der Betroffenen übertrieben ist. Akzeptanz bedeutet nicht, etwas uneingeschränkt gutheißen zu müssen. Vielmehr bedeutet Akzeptanz die Annahme der Gegenwart und die Aufgabe des Kampfes gegen die Realität.
Aktivitätenaufbau
Soziales Kompetenztraining, Sport und gemeinsame Aktivitäten mit Mitpatienten können bei Betroffenen einen Grundstein dafür legen, das Leben nicht mehr nur vom Schmerz beherrschen zu lassen. Gleichzeitig sorgen die Aktivitäten für eine Reduktion des psychischen Stresses und somit zu einem verbesserten Umgang mit den Schmerzattacken.
Arbeit mit Angehörigen
Chronische Schmerzstörungen verändern das gesamte Leben der Betroffenen. Auch das familiäre Umfeld leidet, denn es ist schwer zu ertragen, geliebte Personen unter ständigen Schmerzen sehen zu müssen. Außerdem kann es zu Konflikten kommen, denn Schmerzpatienten sind verständlicherweise häufig gereizt und unwirsch.
Die gesamte Situation belastet das Miteinander und unbeschwerte gemeinsame Momente werden immer seltener. In der psychosomatischen Behandlung werden daher auch die Beziehungen und das Kommunikationsverhalten zwischen Patienten und Angehörigen behandelt. Ein positives Miteinander beugt Missverständnissen, Frustration und Schuldzuweisungen vor.
Eine professionelle psychosomatische Behandlung der chronischen Schmerzstörung kann für die Lebensqualität der Betroffenen eine entscheidende Rolle spielen. Betroffene sollten nicht zögern, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen!
Kategorien: Chronische Schmerzen