Meschen, die unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden, erleben Gefühle sehr viel intensiver und sind häufigen Stimmungsschwankungen ausgesetzt. Nicht umsonst wird die Erkrankung auch als emotional-instabile Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Neben den schnell wechselnden Emotionen leiden die Betroffenen unter einem niedrigen Selbstwertgefühl sowie Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Der englische Ausdruck Borderline bedeutet Grenze, Rand oder Kante. Die Bezeichnung passt insofern, als dass die Gefühle und Stimmungen von Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sehr schnell kippen können. Von himmelhochjauchzend bis hin zum Tode betrübt – die Gefühle sind in ständiger Achterbahnfahrt. Hinzu kommt, dass die Gefühle intensiver erlebt werden. Dies gilt besonders für negative Gefühle wie Angst, Scham, Wut oder Trauer. Die Patienten haben große Schwierigkeiten, sich selbst aus diesen Gefühlslagen zu befreien, denn es mangelt ihnen an Selbstregulationsfähigkeiten (Sendera & Sendera, 2012).
Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Charakteristika der Borderline-Persönlichkeitsstörung umfassen drei Problembereiche. Der erste Problembereich beschreibt die bereits erwähnten Gefühlsschwankungen und die Selbstregulation. Der zweite Problembereich umfasst das Thema Selbstwert. Der dritte Problembereich beinhaltet die Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Bereich 1: Gefühle und Selbstregulation
Bei einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sind starke Stimmungsschwankungen und intensive erlebte Gefühlslagen typisch. Im Gegensatz zu den Betroffenen sind gesunde Menschen in der Lage, zu starke Gefühle eigenständig herauf- und herab zu regulieren, sei es durch Nachdenken, bewusstes Atmen, Ablenkung oder durch ein Gespräch mit Mitmenschen. Bei Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sind diese Fähigkeiten nur gering ausgeprägt. Sie werden von den Gefühlen überrollt und haben nur eine geringe Chance, sie zu regulieren. Manche Patienten berichten neben starken Gefühlen auch von einer unerträglichen emotionalen Leere, dass sich zwischen den Gefühlsausbrüchen herstellen kann.
Bereich 2: Selbstwert
Viele Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung haben einen gering ausgeprägten Selbstwert. Auch dieser wird im Extrem erlebt: Die Patienten hassen ihren Körper, ihr Verhalten und ihr Leben. Sie fühlen sich wertlos und schuldig. Sie vergleichen sich häufig mit anderen und sehen sich dabei meistens im schlechteren Licht.
Bereich 3: Zwischenmenschliche Beziehungen
Zwischenmenschliche Beziehungen sind bei Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung von Konflikten durchzogen: Themen wie Eifersucht, Neid, Vorwürfe, Liebesentzug oder Verlustängste stehen an der Tagesordnung. Typisch ist, dass die Patienten die Personen in ihrem Umfeld an einem Tag geradezu vergöttern und am anderen Tag verabscheuen. Stabile persönliche Beziehungen sind selten. Häufig fehlt den Betroffenen das Gespür für ein gesundes Verhältnis von Nähe und Distanz.
Im Rahmen der Borderline-Persönlichkeitsstörung kann es zu selbstverletzendem Verhalten kommen. Entgegen vieler Vorurteile ist selbstverletzendes Verhalten aber nicht zwingend vorhanden und kann auch ohne eine Borderline-Persönlichkeitsstörung auftreten. In der Fachwelt wird von nicht-suizidaler Selbstverletzung gesprochen, denn es steht keine Selbstmordabsicht hinter den selbst herbeigeführten Verletzungen (Klonsky, 2007).
Arten der nicht-suizidalen Selbstverletzung
Viele kennen das umgangssprachliche „Ritzen“ an Armen und Beinen, bei dem sich die Betroffenen absichtlich Schnitte zufügen, die dann schwere Vernarbungen hinterlassen. Es gibt jedoch noch andere unbekanntere Arten der Selbstverletzung, wie zum Beispiel Verbrennungen, Stechen, Abschürfen, Kratzen, starkes Reiben oder willentlich herbeigeführte Stürze.
Absicht hinter der nicht-suizidalen Selbstverletzung
Hinter den Verletzungen steht nicht die Absicht, einen Suizid zu begehen. Vielmehr wird die körperliche Verletzung dazu genutzt, psychischen Druck abzulassen. Die Verletzung wirkt wie ein Ventil für aufgebaute Spannungen und führt zu psychischer und körperlicher Erleichterung. Das Verhalten wird durch dieses positive Gefühl der Erleichterung „belohnt“ und wird dadurch umso häufiger ausgeführt. Baut sich erneut innerliche Spannung auf, so entsteht ein unbezwingbarer Drang, diese Spannung durch selbstverletzendes Verhalten zu reduzieren.
Exkurs: Psychologen nennen das selbst-verletzende Verhalten bei innerer Anspannung eine dysfunktionale Selbstregulationsstrategie. Dysfunktional bedeutet, dass die Strategie zwar kurzfristig funktioniert, langfristig aber keine Lösung ist. Die selbst zugefügten Verletzungen müssen immer stärker werden, um noch als Ventil für den inneren Druck zu funktionieren. Zudem haben die Verletzungen ein hohes Infektionsrisiko und können schwere gesundheitliche Schäden zur Folge haben.
Die Veranlagung für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ist vererbbar. Ob sich die Störung aber wirklich ausbildet, hat mit Umweltfaktoren zu tun. Als Risikofaktor für eine Ausbildung der Störung gilt es, wenn die Kindheit konfliktbehaftet war oder es gar zu einer Traumatisierung kam. Hinzu kommen neurologische Besonderheiten bei Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Psychologische Tests können zeigen, dass bestimmte Fähigkeiten, wie die Impulskontrolle oder die Selbstregulation nicht ausreichend vorhanden sind. Ob dies jedoch die Ursache oder Folge der Borderline-Persönlichkeitsstörung darstellt, ist unklar (Sendera & Sendera, 2012).
Früher galt die Borderline-Persönlichkeitsstörung als schwer behandelbar. Dies hat sich mittlerweile völlig verändert. Es gibt wirksame Langzeit-Programme, die die Patienten sehr gut unterstützen. Als besonders erfolgreich hat sich die Dialektisch-Behaviorale Therapie, kurz DBT, nach Marsha Linehan (1999) erwiesen. Es handelt sich um eine kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Therapieform mit folgenden Inhalten:
Das Programm wird im Einzel- und Gruppenkontext durchgeführt. Im Gruppenkontext werden vor allem die sogenannten „Skills“ erarbeitet, die zur Selbstregulation von Gefühlen eingesetzt werden. Zu diesen Fähigkeiten gehören beispielsweise innere Achtsamkeit und Ablenkungsstrategien. Zum Beispiel setzen viele Betroffene körperliche, nicht verletzende Reize ein, um sich in emotional-überfordernden Situationen wieder auf sich selbst zu besinnen. Ein Beispiel ist ein Gummiband am Arm, dass bei Bedarf „geflitscht“ werden kann, um Spannungen abzubauen.
Eine Studie zeigt, dass die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht ein Leben lang bestehen bleiben muss. Durch gute ärztliche und therapeutische Anbindung sowie ein stützendes soziales Umfeld ist es möglich, dass die Diagnosekriterien (angelehnt an die oben genannten drei Bereiche) nicht mehr erfüllt werden (Zanarani et al., 2004). Es ist wichtig zu wissen, dass sich sekundär zu einer Borderline-Persönlichkeitsstörung auch andere psychische Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, Zwangserkrankungen oder Abhängigkeitserkrankungen herausbilden können. Aus diesem Grund ist eine ausführliche und gründliche Diagnostik vor Beginn einer Therapie dringend erforderlich.
Kategorien: Persönlichkeitsstörungen