Körperakzeptanz oder Förderung ungesunder Lebensstile? Was Body Positivity wirklich bedeutet

Die Zeiten von unglaublich schlanken oder trainierten Menschen als Schönheitsideal scheinen vorbei zu sein – zumindest laut der Body Positivity Bewegung. Statt des andauernden Strebens nach Veränderung des eigenen Körpers liegt der Fokus auf Akzeptanz sowie Selbstliebe und kann somit ganz vielen Menschen Mut geben sich mit ihren Besonderheiten zu zeigen. Neben der Entstehung und ihrer Auswirkung auf psychische Erkrankungen lohnt es sich jedoch auch einen Blick auf mögliche Kritikpunkte zu werfen.

Was ist Body Positivity?

Body Positivity ist eine Bewegung, die für die Akzeptanz und Liebe von Körpern in allen Formen und Größen steht. Sie fordert dazu auf, sich selbst und andere Körper ohne Vorbehalte und Scham anzunehmen und setzt sich für eine positivere Einstellung zu Merkmalen wie Dehnungsstreifen, Cellulite, Akne oder Narben ein. Das oberste Ziel ist es die Vielfalt zu feiern und das Schönheitsideal zu erweitern sowie Menschen nicht aufgrund ihres Körpers abzuwerten und in der Gesellschaft ein breiteres Verständnis von Attraktivität zu entwickeln.

Entstehung der Bewegung

Die Body Positivity Bewegung entstand in den USA in den 1990er Jahren als Reaktion auf den Schlankheitswahn und die Diskriminierung von Körpern, die nicht dem Ideal der Mode- und Beauty-Industrie entsprachen. Die Bewegung wurde von Frauen ins Leben gerufen, die sich gegen die Vorstellung wehrten, dass nur schlanke Körper schön und attraktiv sein können.

Body Positivity hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und sich über die USA hinaus verbreitet. Inzwischen gibt es eine breite Palette von Organisationen, Gruppen und Initiativen, die mit verschiedensten Kampagnen dazu beitragen, das Bewusstsein für die Diversität und die Notwendigkeit einer positiveren Einstellung zu Körpern zu erhöhen.

Positive Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Botschaft von Body Positivity bietet die Chance das Leben jedes einzelnen positiv zu verändern und damit auch nach und nach die Werte und Normen der Gesellschaft neu zu definieren. Die folgenden Ziele sind für die Bewegung besonders von Bedeutung:

  • Förderung von Körperakzeptanz und Selbstliebe: Menschen sollen lernen ihren eigenen Körper und den Körper anderer zu akzeptieren und zu lieben, unabhängig von Größe, Form oder Aussehen. Durch die Förderung eines positiven Körperbildes soll das Selbstbewusstsein und die Selbstachtung gestärkt werden.
  • Bekämpfung von Körperdiskriminierung: Diskriminierung aufgrund von Körpergröße, Gewicht, Hautfarbe oder körperlichen Merkmalen soll bekämpft werden. Die Bewegung setzt sich für eine inklusive Gesellschaft ein, in der jeder Mensch unabhängig von körperlichen Merkmalen gleichberechtigt und respektiert wird.
  • Schönheitsideale hinterfragen: Das Schönheitsideal der Mode- und Beauty-Industrie wird kritisiert, da oft nur schlanke und makellose Körper als schön und attraktiv darstellt werden. Die Bewegung setzt sich dafür ein, dass die Vielfalt von Körpern anerkannt und gefeiert wird sowie dass Menschen sich nicht mehr einem unerreichbaren Idealbild unterwerfen müssen.
  • Gesundheitsförderung: Es ist wichtig auf den eigenen Körper zu achten und ihn gesund zu halten, unabhängig von Größe oder Form. Die Bewegung setzt sich für eine gesunde Lebensweise ein, die auf Selbstfürsorge und Wohlbefinden ausgerichtet ist, ohne dabei den Fokus auf das Äußere zu legen.

Body Positivity und psychische Erkrankungen

In Hinblick auf die Body Positivity Bewegung sind Zusammenhänge mit den Krankheitsbildern Depressionen und Essstörungen bekannt.

Die Beziehung zwischen Körperbild und Depressionen ist in der Forschung gut dokumentiert. Negative Einstellungen zum eigenen Körper können demnach das Risiko für eine Erkrankung erhöhen, insbesondere bei Teenagern. Studien zeigen ebenfalls, dass junge Menschen, die mit ihrem Körper unzufrieden sind, als Erwachsene ein erhöhtes Risiko für Depressionen besitzen.

Auch bei Essstörungen kann die Body Positivity Bewegung helfen, ein gesünderes Körperbild zu entwickeln und den Druck zu reduzieren, einem unrealistischen Schönheitsideal zu entsprechen. Essstörungen entstehen ebenfalls vermehrt in jungen Jahren, wenn die Beziehung zum Körper noch nicht so gefestigt ist und falsche Vorbilder in Form von unrealistischen Schönheitsidealen auf fruchtbaren Boden treffen. Wenn die Gesellschaft jedoch von vornherein diese unrealistischen Ideale nicht vermittelt, kann dies ein schützender Faktor sein. Gleichzeitig gibt es auch Bedenken, dass die Bewegung eine potenzielle Gefahr für Menschen mit Essstörungen darstellen könnte. Denn während die Body Positivity Bewegung versucht, den Schönheitsstandards und Körperidealen entgegenzuwirken, könnten Menschen mit Essstörungen dies als Einladung sehen, ihr Verhalten weiter zu normalisieren. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Body Positivity Bewegung nicht als Ursache für Essstörungen angesehen werden kann. Essstörungen haben eine komplexe Entstehungsgeschichte und sind oft das Ergebnis von verschiedenen biologischen, psychologischen und soziokulturellen Faktoren.

Kritische Stimmen

Anknüpfend an die Sorge, dass Body Positivity ungesundes Essverhalten und Untergewicht normalisieren könnte, gibt es auch einige weitere Kritikpunkte. Einige Kritiker argumentieren, dass die Body Positivity Bewegung dazu beiträgt, dass Übergewicht und Fettleibigkeit als normal und akzeptabel angesehen werden. Sie befürchten, dass dies zu einem Anstieg der Fettleibigkeit führen könnte und gesundheitliche Probleme verstärkt. Ebenfalls besteht die Sorge, dass Bewegung und körperliche Fitness allgemein nicht genug betont werden. Zuletzt wird noch befürchtet, dass nicht alle Menschen mit unterschiedlichen körperlichen Merkmalen eingeschlossen werden und bestimmte Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen, die oft mit körperlichen Herausforderungen konfrontiert sind, nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Body Positivity Bewegung allgemein sehr positiv aufgenommen wird und gegenteilige Stimmen nur sehr selten laut werden. Trotzdem ist es natürlich wichtig ihnen Gehör zu schenken und sich mit den Herausforderungen der Bewegung bewusst auseinanderzusetzen. Nur so kann die Gesellschaft zum Umdenken angeregt werden und weitere Fortschritte machen.

Quellenangaben
  • Fardouly, Jasmine; Diedrichs, Phillippa C.; Vartanian, Lenny R. & Halliwell, Emma: Social Comparisons on Social Media: The Impact of Facebook on Young Women’s Body Image Concerns and Mood. Body Image (2015), Band 13, S. 38-45.
  • Markey, Charlotte H.; Daniels, Elizabeth A. & Gillen, Meghan M.: Body Positive Understanding and Improving Body Image in Science and Practice. Cambridge, 2018.
  • Spektrum der Wissenschaft: Spektrum Psychologie – Body Positivity. Heidelberg, 2022.
  • Stevens, Alicia & Griffiths, Scott: Body Positivity (#BoPo) in everyday life: An ecological momentary assessment study showing potential benefits to individuals’ body image and emotional wellbeing. Body Image (2022), Band 35, S. 181-191.

Kategorien: Depressionen

Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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