Die Erkrankung Anorexia nervosa (die sogenannte Magersucht) ist inzwischen sehr bekannt, doch was verbirgt sich hinter der Bezeichnung Anorexia athletica? Betroffene der Anorexia athletica weisen ebenfalls ein gestörtes Essverhalten auf, doch verfolgen vor allem das Ziel durch eine starke Gewichtsreduktion sportliche Höchstleistungen zu erzielen. Leider tritt durch die Mangelernährung und den ausgezehrten Körper meist genau gegenteiliges ein und die Sportler gefährden nicht selten ihre gesamte Karriere.
Wichtig: Die Zahl der Betroffenen variiert zwischen 8 und 62 Prozent je nach Sportart sehr stark. Besonders häufig betroffen sind junge Frauen im Alter von 15 bis 25 Jahren.
Sport ist doch gesund – oder? Jede Zeitschrift, jeder Ratgeber und jede Fernsehwerbung propagieren doch, dass Bewegung uns nicht nur körperlich, sondern auch mental fit hält. Doch wo ist der Punkt zwischen einem gesunden Maß an Sport und zu viel Sport? Grundsätzlich wird von einer Sportsucht gesprochen, wenn exzessives Sporttreiben mit folgenden Begleitsymptomen verknüpft ist:
Entzugserscheinungen: Sobald der Betroffene nicht sportlich aktiv ist treten körperliche und psychische Symptome wie Nervosität, Schuldgefühle, Schlafstörungen oder Depressionen auf.
Zwanghaftigkeit: Der Betroffene hat nicht das Gefühl aus positiven Emotionen heraus, wie der Freude an Bewegung oder dem Naturerleben Sport machen zu wollen, sondern verspürt einen starken inneren Zwang.
Toleranzentwicklung: Im Laufe der Zeit benötigen Sportsüchtige immer mehr und intensivere Trainingseinheiten den Zustand der Befriedigung zu erlangen.
Kontrollverlust: Die Sucht nach dem Sport wird als fremdgesteuert erlebt. Trotz des Wunsches das Sporttreiben einzuschränken sind die Versuche dessen erfolglos.
Vernachlässigung sozialer Aktivitäten: Dadurch, dass der Sport im Mittelpunkt steht, verlieren soziale Kontakte und andere Aktivitäten an Bedeutung.
Ignoranz negativer Auswirkungen: Trotz schwerwiegender körperlicher oder psychischer Probleme durch die Sucht, wird diese aufrechterhalten.
Sehr häufig tritt eine Sportsucht zusammen mit einer Essstörung wie Magersucht auf. Wahlweise kann sie eine Begleiterscheinung der Essstörung sein oder sich durch das zwanghafte Perfektionieren des Körpers erst entwickeln – hierbei wird von der sogenannten Anorexia athletica gesprochen. Da das Vollbild einer klassischen Essstörung häufig nicht oder noch nicht vorliegt, handelt es sich hier um keine eigene medizinisch anerkannte Diagnose, jedoch ohne Zweifel ein ernstzunehmendes und sich immer stärker häufendes Problem. Einige Kriterien der Anorexia athletica sind:
Das Auftreten der Anorexia athletica und damit der Kombination einer Sportsucht und Essstörung ist auch gerade deswegen so häufig, da ihre Ursachen sich ähneln. Die Flucht in das zwanghafte Kalorienzählen, die Beschäftigung mit dem Körper und seiner Leistung werden genutzt um Problemen zu entkommen. Bei beiden Krankheiten besteht die Hoffnung, die soziale Anerkennung und damit ein geringes Selbstwertgefühl steigern zu können. Ebenfalls sind meist ein starkes Kontrollbedürfnis und geringe Konfliktfähigkeit vorhanden. Sowohl die Nahrungsregulation, als auch der Erfolg im Sport werden zum Messwert für die eigenen Gefühle. Misserfolge können sowohl bei Essstörungen als auch bei der Sportsucht Minderwertigkeitskomplexe, Depressionen oder sogar Selbsthass auslösen.
Wie bereits erwähnt sind die Grenzen fließend. Eine Anorexia athletica beinhaltet sehr viele Kriterien, die auch auf Betroffene von Magersucht zutreffen, jedoch stellt sie das Ziel einer verbesserten sportlichen Leistung und Anerkennung in den Vordergrund. Bei der klassischen Magersucht geht es primär um die Gewichtsabnahme, die meist durch ungelöste Konflikten und einem Mangel an Autonomie angestrebt wird. Betroffene von Anorexia atheletica besitzen zudem häufig noch eine etwas realistischere Einstellung bezüglich ihrer Körperform. Bei ihr kann das Beschwerdebild auch nur in Zusammenhang mit Wettkampfphasen stehen und nach Beendigung der sportlichen Karriere wieder verschwinden.
Leider ist die Kombination aus einer Essstörung und der Sportsucht besonders gefährlich. Die gesundheitlichen Folgen sind zudem maßgeblich von der Dauer der Erkrankung abhängig – je länger sie andauert, desto mehr werden folgende Bereiche geschädigt:
Der Knochenstoffwechsel: Durch die unzureichende Nährstoffversorgung kann es zu einem Mangel an Östrogen kommen, welcher für Osteoporose verantwortlich ist. Dadurch das Knochenmasse und –dichte abnehmen, kann es leichter zu Ermüdungsbrüchen oder Frakturen kommen. Auch Karies kann eine Folge sein.
Der Hormonhaushalt: Der Wachstumshormonspiegel ist Schwankungen unterlegen, was negative Konsequenzen in Bezug auf das Körperwachstum nach sich zieht. Ebenfalls verändert ein erhöhter Kortisolspiegel die Schilddrüsenhormone und ruft damit Insulinstoffwechselreaktionen hervor. Insbesondere bei Frauen kann der gestörte Hormonhaushalt zu einer unregelmäßigen oder gar ausbleibenden Periode führen.
Weitere Risiken: Es besteht eine erhöhte Infektionsgefahr durch die gestörten Stoffwechselprozesse sowie das Risiko für Herzrhythmusstörungen durch die Schwankungen des Elektrolythaushaltes.
Sportarten, in denen das Gewicht maßgeblich die Leistung beeinflusst, können die Entstehung einer Anorexia athletica fördern:
Und wie sieht die Therapie aus?
Die Anorexia athletica ist langfristig nicht mit einer erfolgreichen Sportlerkarriere zu vereinen und zieht verehrende gesundheitliche Folgen nach sich. Betroffene und Angehörige können jedoch Hoffnung haben, es existieren eine Reihe bewährter Therapiemaßnahmen.
Als erstes sollte an die Behandlung im Rahmen einer Psychotherapie gedacht werden. Einmal gibt es die Verhaltenstherapie, bei der der Fokus auf der Veränderung des Essverhaltens sowie der Einstellung zum Körper und dem Umgang mit dem sozialen Umfeld liegt. Zum anderen können auch psychodynamische Therapiekonzepte helfen, die ihren Schwerpunkt auf die Identifikation und Aufarbeitung der Entstehungsfaktoren setzen. Zusätzlich zur Psychotherapie sollte eine enge medizinische Betreuung erfolgen. Die Einschätzung und kontinuierliche Überprüfung des körperlichen Zustandes ist bedeutsam, um den klassischen Begleitsymptomen wie Osteoporose oder Hormonschwankungen entgegenzuwirken bzw. sie abzumildern. Hierbei hat eine Gewichtsstabilisierung oberste Priorität. Bei einer akuten Gesundheitsgefährdung kann auch ein stationärer Klinikaufenthalt notwendig sein. Der Abstand vom gewohnten Umfeld ist oftmals entscheidend um gesündere Verhaltensmuster zu etablieren.