Alles hat seine Zeit: Es gibt eine Zeit der Freude, eine Zeit der Stille, eine Zeit des Schmerzes, der Trauer und eine Zeit der dankbaren Erinnerung.
Unser Leben ist ein Wechselspiel aus Anfängen und Abschieden, neuen Dingen und Beständigkeit, hellen und dunklen Stunden. Das Auf und Ab und die damit verbundene Veränderung ist ein natürlicher Teil des Menschseins, dennoch kann es uns sehr schwerfallen, den Lauf der Dinge zu akzeptieren.
Besonders der Verlust eines Menschen, dem wir uns besonders verbunden fühlen, erfüllt uns mit Schmerz und Trauer. Es ist für uns kaum zu fassen, dass die geliebte Person von uns gegangen ist. Doch wie unser gesamtes Leben, ist auch die Trauer ein Weg, den wir gehen müssen und der sich aus verschiedenen Etappen zusammensetzt.
Der Verlust eines nahestehenden Menschen stellt das Leben auf den Kopf. Wir befinden uns in einer Extremsituation, ganz gleich ob es sich um einen plötzlichen Tod oder um einen Tod nach langer Krankheit handelt.
Unterschiede im Ausdruck von Trauer
Wie wir auf einen Verlust reagieren und ihn verarbeitet, ist individuell abhängig. Zum Beispiel können Religion, Herkunft oder die momentane Situation einen starken Einfluss auf die Trauerreaktion haben.
Obwohl der Umgang mit Tod und Verlust so stark variiert, haben Psychologen versucht, Phasen der Trauer zu bestimmen. So hat Elisabeth Kübler-Ross ein Modell entwickelt, das die Trauerphasen beschreibt (nach: Hucke, 2017).
Wichtig bei der Betrachtung der Phasen ist, dass sie nur Erfahrungswerte abbilden, wie ein Trauerprozess bei Menschen ablaufen kann. Nicht jeder Mensch macht alle Phasen durch. Zudem kann die Länge der Phasen ganz unterschiedlich sein, dazu später mehr.
1. Verleugnung
Kurz nach dem Verlust befinden sich Hinterbliebene in einer Phase der Verleugnung. Es herrscht ein Gefühl des „Nicht-wahrhaben-wollens“. Häufig kommen Emotionen wie Wut, Verzweiflung und Entsetzen auf.
2. Zorn
Gefühle wie Wut und Ärger überraschen viele trauernde Personen, denn sie werden im Trauerprozess erstmal nicht erwartet. Es ist aber normal, dass ein gewisser Zorn auf die verstorbene Person entsteht oder auf andere Menschen, die noch am Leben sind. Dieser Zorn kann das Umfeld trauernder Personen erschrecken und unerwartet treffen, sollte aber bewusst verarbeitet werden.
3. Verhandeln
Hierbei handelt es sich laut Kübler-Ross um eine, oft sehr kurze, Phase des Haderns mit dem Schicksal oder eine Art Freikaufen durch bestimmte Handlungen, nach dem Motto „wenn ich nun dies tue, dann…“. Es kommt zu verstärktem Aktionismus, ziellosem Handeln und Flucht in extreme Formen von Religion.
4. Depression
Wenn die tiefe Erkenntnis des Todes einer geliebten Person durchdringt, ist der Schmerz mitunter körperlich greifbar. Die Symptome ähneln dann denen einer Depression: Es kommt zu tiefer Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, stark negativen Stimmung und zum Verlust jeglicher Freude. Manchmal hält diese Phase sehr lange an und es entwickelt sich eine Depression aus der Trauer.
5. Akzeptanz
Wenn einige Zeit vergeht und der Trauer der nötige Raum gegeben wird, kann sich die Aufmerksamkeit langsam wieder auf andere Dinge richten. Das wird nicht von heute auf morgen so sein, aber die meisten Trauernden erleben, dass sich eine Akzeptanz für den Verlust einstellt. Der Blick weitet sich und neue Pläne können ganz behutsam in Angriff genommen werden.
Es ist sehr schwer zu entscheiden, ob ein Trauerprozess „zu lange“ dauert oder „nicht normal“ ist. Denn es gibt keinen festgelegten Grenzwert, ab wann Trauer pathologisch, d.h. krankhaft, ist. Hinzu kommt, dass es in den derzeitigen Psychologiebüchern die Diagnose „Trauer oder Trauerstörung“ nicht gibt. Die Aufnahme dieser Diagnose wird aber diskutiert, denn mit ihr hätten Menschen, die ungewöhnlich lange oder stark unter einem Verlust leiden Zugang zu medizinischen und psychotherapeutischen Hilfsangeboten.
Chance oder Stigma?
Die Frage, ob es eine Art der Trauerbewältigung gibt, die eher einer Krankheit entspricht, ist von tiefgreifender Bedeutung. Der Vorteil einer solchen Diagnose wäre, dass Menschen, die darunter leiden, spezielle psychotherapeutische Hilfsangebote in Anspruch nehmen könnten, deren Kosten von den Krankenkassen übernommen werden. Der Nachteil ist, dass es zu einer Stigmatisierung von Trauernden kommen könnte, denen so das Recht auf ihre Trauer verwehrt wird bzw. deren Trauer als „krankhaft“ bezeichnet wird.
Es ist natürlich, dass Menschen unter einem Verlust leiden. Es ist auch natürlich, dass dieses Leid lange anhält. Wenn aber Gefühle wie ohnmächtiger Zorn oder extreme Verbitterung hinzukommen, dann kann professionelle Hilfe sinnvoll sein.
Das Gleiche gilt bei suizidalen Gedanken oder „Selbstaufgabe“, d.h. eine so starke Apathie, dass die hinterbliebene Person kaum noch zu Handlungen fähig ist. Treten solche Symptome auf, ist es möglich, dass die Trauer in eine Depression übergangen ist. Spätestens dann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, denn eine Depression kann sich verfestigen und die eigentliche Trauerbewältigung unmöglich machen. Für die Trauerbewältigung brauchen Menschen all ihre Ressourcen, die in einer Depression nur schwer aktiviert werden können.
Wichtig: Aber auch wenn das Leid und die Trauer nicht die genannten extremen Ausmaße annehmen, kann professionelle Trauerbegleitung durch Spezialisten sinnvoll sein. Den Schmerz einer neutralen Person zeigen, den Verlust im geschützten und privaten Raum zu reflektieren und so an Akzeptanz zu gewinnen kann eine sehr heilsame Erfahrung sein.
Besonders wenn Sie sich in Trauer befinden oder mit dem Thema Trauer konfrontiert sind, wünschen wir Ihnen an dieser Stelle einen Prozess der Trauer, in dem Sie – nach Ihrem persönlichen Rhythmus- Vergangenes mit Dankbarkeit betrachten und die Zukunft mit Zuversicht begrüßen können.
Kategorien: Depressionen