Von der Seele auf die Leinwand: Kunsttherapie trifft Outsider Art

Kunst ist weit mehr als nur Ästhetik – sie ist eine universelle Sprache, die uns ermöglicht Emotionen, Gedanken und Erfahrungen auszudrücken, die oft schwer in Worte zu fassen sind. Inmitten der Welt der Kunsttherapie und Outsider Art wird diese transformative Kraft gezielt genutzt, um Heilung und Selbstentfaltung zu fördern sowie Menschen eine unverwechselbare Stimme zu geben.

Der nonverbale Weg zur Selbstheilung

Kunsttherapie ist eine Form der psychotherapeutischen Behandlung, bei der künstlerische Medien und kreative Prozesse genutzt werden, um psychische und manchmal auch körperliche Probleme zu erkunden, zu verstehen sowie zu behandeln. Der kreative Ausdruck nimmt dabei verschiedene Formen an, darunter Malen, Zeichnen und das Fertigen von Skulpturen.

Kunsttherapie hat sich als wirksame Methode zur Unterstützung von Menschen mit einer Vielzahl von psychischen Erkrankungen wie Traumata oder Depressionen erwiesen. Weiterhin wird sie von qualifizierten Kunsttherapeuten durchgeführt, die sowohl in psychologischen als auch in künstlerischen Disziplinen geschult sind und kann in verschiedenen therapeutischen Kontexten eingesetzt werden, darunter Einzel- und Gruppensitzungen, Kliniken, Schulen und Rehabilitationseinrichtungen. Die Anzahl der Sitzungen kann je nach den individuellen Bedürfnissen variieren.

Wie läuft eine kunsttherapeutische Stunde ab?

Kunsttherapie verläuft in verschiedenen Phasen, die sich je nach den Bedürfnissen und Zielen des Patienten unterscheiden können. Im Allgemeinen folgt sie jedoch einem strukturierten Ablauf:

Anamnese und Zielfestlegung:

Der erste Schritt in der Kunsttherapie ist die Anamnese, bei der der Therapeut mit dem Patienten spricht, um mehr über dessen Geschichte und aktuelle Herausforderungen zu erfahren. Gemeinsam werden klare Ziele für die Therapie definiert, wie beispielsweise die Bewältigung von Traumata, die Steigerung des Selbstvertrauens oder die Entwicklung von Bewältigungsstrategien.

Aufbau eines sicheren Rahmens:

Der Therapeut schafft eine vertrauensvolle und unterstützende Umgebung, in der der Patient frei und ohne Angst vor Kritik oder Bewertung arbeiten kann.

Kreative Ausdrucksphase:

Der Patient wählt die künstlerischen Medien aus, mit denen er arbeiten möchte, beispielsweise Malerei, Zeichnung, Ton oder Collage. Während dieser Phase steht die freie Expression im Vordergrund. Der Patient kann seiner Intuition folgen und ohne Einschränkungen schaffen.

Reflexion und Interpretation:

Der Therapeut unterstützt den Patienten dabei sein geschaffenes Werk zu betrachten und darüber zu reflektieren. Gemeinsam erkunden sie die verwendeten Symbole, Farben und Formen und diskutieren, welche Bedeutung diese möglicherweise für den Patienten haben.

Integration und Verarbeitung:

Durch den Dialog mit dem Therapeuten kann der Patient neue Erkenntnisse gewinnen und neue Perspektiven entwickeln.

Abschluss und Auswertung:

In der letzten Phase der Sitzung wird das Erlebte besprochen und reflektiert. Der Therapeut und der Patient evaluieren gemeinsam den Fortschritt und legen die nächsten Schritte in der Therapie fest.

Outsider Art: Die Kunst der „Anderen“

Outsider Art, auch bekannt als Art Brut oder Rohkunst, bezieht sich auf Kunstwerke, die von Menschen geschaffen werden, die keine formale künstlerische Ausbildung haben und oft am Rande der Gesellschaft stehen. Diese Künstler arbeiten in der Regel außerhalb etablierter künstlerischer Traditionen und Normen.

Es gibt verschiedene Gruppen von Menschen, die als „Outsider-Künstler“ betrachtet werden können:

Menschen mit psychischen Erkrankungen: Viele Outsider-Künstler haben eine psychische Krankheit, die einen Einfluss auf ihre kreative Ausdrucksweise hat. Die Kunst kann ein Ventil für ihre Emotionen und ein Weg zur Bewältigung ihrer inneren Konflikte sein.

Menschen mit Entwicklungsstörungen: Einige Outsider-Künstler haben Entwicklungsstörungen wie Autismus oder das Down-Syndrom. Ihre Kunst kann eine einzigartige und oft faszinierende Sicht auf die Welt präsentieren.

Menschen in abgelegenen Gemeinschaften: Manchmal werden auch Künstler, die in isolierten oder abgelegenen Regionen leben und wenig oder keinen Kontakt zur künstlerischen Gemeinschaft haben, als Outsider-Künstler betrachtet. Sie schaffen oft aus einer unmittelbaren und authentischen inneren Motivation heraus.

Die Kunstwerke von Outsider-Künstlern zeichnen sich häufig durch ihre unmittelbare, rohe und oft sehr persönliche Ausdrucksweise aus. Die Künstler sind nicht von konventionellen künstlerischen Normen oder Erwartungen beeinflusst. Dies führt zu Kunstwerken, die oft überraschend, kraftvoll und berührend sind.

Outsider Art hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend Anerkennung gefunden und wird in vielen Museen und Galerien weltweit ausgestellt. Sie stellt eine wichtige Erinnerung dar, dass Kunst nicht auf akademische Ausbildung oder formale Strukturen beschränkt ist, sondern eine universelle Ausdrucksform ist, die aus der Tiefe der menschlichen Seele entspringen kann.

Die Verbindung zwischen Kunsttherapie und Outsider Art

Outsider Art kann durch Kunsttherapie beeinflusst oder unterstützt werden. Hier sind einige Möglichkeiten, wie das geschehen könnte:

Selbstausdruck und Verarbeitung: Für Menschen, die Schwierigkeiten haben ihre Gefühle verbal auszudrücken, kann die Kunsttherapie als ein Medium dienen, um ihre inneren Erfahrungen zu erkunden und zu verarbeiten. Dies kann ähnliche Ergebnisse wie bei der Erstellung von Outsider Art haben.

Stärkung des Selbstbewusstseins: Kunsttherapie kann das Selbstbewusstsein stärken, indem sie den individuellen kreativen Ausdruck fördert und die Akzeptanz der eigenen künstlerischen Fähigkeiten erhöht. Folgend können Menschen dazu ermutigt werden sich als Künstler zu sehen, selbst wenn sie nicht dem traditionellen Kunstkanon entsprechen.

Stärkung der Resilienz: Kunsttherapie kann Personen dabei unterstützen ihre psychische Gesundheit zu verbessern und mit belastenden Lebensereignissen umzugehen. Das kann auch den Weg ebnen, um Kunst als Mittel zur Bewältigung zu entdecken und möglicherweise Outsider Art zu schaffen.

Integration in die Gemeinschaft: Durch die Teilnahme an Kunsttherapiegruppen können Menschen, die von der Gesellschaft als „Outsider“ betrachtet werden, eine Gemeinschaft finden, in der sie akzeptiert und unterstützt werden. Diese Erfahrung kann sie dazu ermutigen, ihre künstlerische Praxis weiter zu entwickeln.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Outsider Art durch Kunsttherapie entsteht und nicht jeder, der Kunsttherapie macht automatisch Outsider Art schaffen wird. Die beiden Konzepte sind nicht notwendigerweise miteinander verknüpft, obwohl sie sich in einigen Fällen überschneiden. Beide Bereiche ermutigen jedoch dazu die eigene Einzigartigkeit anzuerkennen und den individuellen kreativen Ausdruck als Mittel zur Heilung und Selbstentfaltung zu nutzen.

Quellenangaben
  • Menzen, Karl-Heinz: Grundlagen der Kunsttherapie. München, 2023.
  • Mürner, Christian: Der Beteiligungscharakter der Kunst: Art brut/ Outsider Art und Inklusion. Weinheim, 2020.
  • Schuster, Martin & Hárdi, István: Kunsttherapie in der psychologischen Praxis: Mit therapeutischem Praktikum und Selbsterfahrungsanleitungen. Heidelberg, 2014.
Christiane von Falkenhayn
Leitende Psychologin, Approbierte psychologische Psychotherapeutin Christiane von Falkenhayn
Dipl.-Psych. Christiane von Falkenhayn ist eine versierte leitende Psychologin und approbierte psychologische Psychotherapeutin, die sich durch ein tiefgehendes Verständnis verschiedener psychotherapeutischer Ansätze auszeichnet. Ihre Expertise umfasst spezialisierte Techniken in Verhaltenstherapie, Systemischer Therapie, Dialektisch Behavioraler Therapie und Traumatherapie. Durch ihr Studium der Psychologie an der Universität Trier und kontinuierliche Weiterbildungen erlangte sie umfassende Kenntnisse, die sie in ihrer Rolle als Leitende Psychologin in der LIMES Schlosskliniken AG täglich anwendet. Besonders geschätzt ist Christiane von Falkenhayn für ihre Empathie, mit der sie eine Atmosphäre des Vertrauens und der persönlichen Entwicklung schafft.

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