Es ist vier Uhr morgens. Aus dem kurzen Gedankenblitz über den Konflikt mit der Arbeitskollegin beim Einschlafen wurde plötzlich eine Endlosschleife an Grübeleien und die Nacht bestand lediglich noch aus einem Hin- und Herwälzen. Das Schlimmste: Es ist einem schon bewusst, dass das Gedankenkarussell rund um das Problem nicht gerade produktiv ist und zu einer Lösung führen wird. Völlig erschöpft wird nun endlich in den Schlaf gefunden. Genau dieses Szenario ereilt unzählige Menschen jede Nacht, belastet die Bewältigung des Alltags und begünstigt im äußersten Fall sogar psychische Erkrankungen. Doch was kann helfen?
Jeder von uns denkt über tausende Dinge am Tag nach, manche davon sind nur ganz kurz präsent, andere öfters und länger. Doch egal um welche Gedanken es geht – wir haben nicht immer die Kontrolle über ihren Inhalt. In dem klassischen Gedankenkarussell ist vermutlich auch jeder bereits einmal mitgefahren. Ausgelöst durch eine Erfahrung oder Erinnerung drängen sich Gedanken sich auf und kreisen immer wieder unfreiwillig um dasselbe Thema. Sie laufen immer und immer schneller ab, sodass wir schon fast das Gefühl haben, dass uns schwindelig wird und ein Ausstieg aus dem Karussell nahezu unmöglich erscheint. Wir fühlen folgend negative Emotionen und sind verzweifelt, dass wir nicht aus der Spirale rauskommen. Grundsätzlich ist Grübeln sinnvoll um eine Lösung für ein Problem zu finden, doch gerade wenn es permanent geschieht und nicht zu einer Lösung führt, kostet es enorm viel Kraft.
Die Frage warum wir beginnen zu Grübeln oder sogar in das Gedankenkarussell einsteigen, obwohl es so destruktiv erscheint, ist nicht so einfach zu beantworten. Einige Gründe dafür sind folgend aufgeführt:
Gerade der zuletzt genannte Punkt ist in Hinblick auf die individuelle Unsicherheitstoleranz ein sehr bedeutsamer. Umso schlechter eine Person aushalten kann, dass die Zukunft immer zu einem gewissen Grad ungewiss sein wird und auch andere Umweltbedingungen nicht immer vollends kontrollierbar sind, umso häufiger wird sie zu Grübeleien neigen. Diese sind folglich ein verzweifelter Versuch sich zu schützen und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.
An dieser Stelle ist es sehr wichtig Grübeleien von Zwangsgedanken zu unterscheiden. Zwangsgedanken treten meist im Rahmen einer Zwangsstörung auf und beinhalten Vorstellungsbilder oder Handlungsimpulse zu spezifischen Themen wie Unordnung oder Verschmutzung. Sie werden als angsteinflößend, unangemessen und von außen kommend erlebt. Letzteres unterscheidet sie von Grübeleien. Beim Grübeln haben Personen das Gefühl, dass die Gedanken von ihnen stammen und zwar keine schönen, aber meist realistische Vorstellungen (z.B. „Ich werde in der Klausur morgen versagen“) beinhalten. Zwangsgedanken hingegen sind oft absurd (z.B. „Wenn ich meine Hände nicht mindestens eine halbe Stunde wasche, werde ich mich sicher infizieren“). Es ist jedoch möglich, dass Personen gleichzeitig unter Zwangsgedanken und Grübeln leiden.
Wenn man mal in einem Gedankenkarussell gefangen ist, ist das ziemlich normal. Sollte dies allerdings regelmäßig vorkommen, kann es ernstzunehmende Auswirkungen auf Psyche und Körper haben. Wer ständig an Grübeleien leidet, hat ein erhöhtes Risiko für Angststörungen und Depressionen. Genauso können sie auch im Rahmen der genannten Krankheiten sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung, Borderline und weiteren psychischen Erkrankungen auftreten. Sie sorgen in allen Fällen für Leid und Einschränkungen und beeinflussen die Betroffenen wie folgt:
Viele Studien beweisen zudem, dass immer wieder auftretende Grübeleien Stresshormone ausschütten, welche das gesamte Immunsystem schwächen. Der Körper befindet sich dadurch in dauerhafter Alarmbereitschaft.
Abschließend stellt sich nun die Frage, wie mit ständigem Grübeln umgegangen oder sogar, wie präventiv gehandelt werden kann. Folgende psychologisch fundierte Strategien können hilfreich sein:
„Sich etwas von der Seele reden“ funktioniert tatsächlich auch in der Schriftform! Es geht darum allen, vielleicht auch negativen, Gedanken direkt ins Auge zu sehen und sich einen Überblick über sie zu verschaffen. Sobald sie niedergeschrieben sind, erscheinen sie meist schon etwas kleiner und vielleicht auch lösbarer. Es ist ebenfalls wichtig zu notieren:
Ein schriftliches Festhalten von Gedanken kann dabei helfen sie nochmal neu zu sortieren und dadurch einen Lösungsweg zu finden oder auch eine Entscheidung zu treffen. Gegebenenfalls kann auch besser definiert werden, wer zur Unterstützung herangezogen werden könnte und auch welche Muster im Grübelverhalten zu erkennen sind. Wird beispielsweise häufig am Wochenende oder nach der Arbeit gegrübelt, kann sich in der Zeit verabredet oder ein Sportkurs besucht werden. Darüber hinaus kann es auch hilfreich sein sich täglich eine „Grübelzeit“ von 15 Minuten für das Tagebuch zu reservieren. Ein fester Zeitraum kann dabei helfen aufkommende Gedanken leichter auf später zu verschieben und damit die Selbstwirksamkeit und Kontrolle über das Grübeln zu stärken.
Menschen die viel Grübeln erleben häufig eine Grundanspannung in ihrem Alltag bzw. kann diese auch durch Grübeleien begünstigt werden. Aktive körperliche Entspannung kann sich an der Stelle beruhigend auf den Geist auswirken. Dabei können verschiedene Entspannungsverfahren genutzt werden: Atemübungen, autogenes Training, Yoga und Mediation. Am besten wird von diesen auch bereits vorbeugend gebrauch gemacht und nicht erst, wenn das Gedankenkarussell schon in vollem Gange ist.
Auch wenn es schier unmöglich scheint, kann es mit ein paar Tricks gelingen ein sich schnell drehendes Gedankenkarussell zu stoppen. Im ersten Schritt sollten dazu die Gedanken aktiv beobachtet werden und dann (gedanklich) laut STOPP gesagt werden. Dabei ist es hilfreich die Signalfarbe Rot zu visualisieren oder sich ein großes Stoppschild vorzustellen. Folgend sollte sich aufrecht hingesetzt und tief in den Bauch ein- und ausgeatmet werden. Sobald danach wieder ein Grübelgedanke kommt, kann versucht werden ihn einfach wie eine Wolke ziehen zu lassen und sich gesagt werden, dass zu einem späteren Zeitpunkt Raum für das Nachdenken über das Thema sein wird. Ziel der Technik ist es, das Gehirn zu konditionieren und irgendwann automatisch das Karussell zu stoppen, sobald es anfängt sich schneller und schneller zu drehen.
Es wird also deutlich: Man ist niemals hilflos in Hinblick auf immer wiederkehrendes Grübeln! Es gibt darüber hinaus viele weitere wirksame Methoden um das Gedankenkarussell anzuhalten und einer Fahrt in ihm vorzubeugen. Ebenfalls gilt: Übung macht den Meister! Umso häufiger eine Strategie ausgeführt wird, umso mehr wird sie verinnerlicht und kann Abhilfe verschaffen.
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