Spezifische Phobien – Der Weg aus der Angst führt direkt durch sie hindurch!

Spezifische Phobien – Ein sehr breites Spektrum. Was den einen zum Schmunzeln bringt, versetzt den anderen in panische Angstzustände. Doch warum ist das so? Warum lieben es die einen zu fliegen oder fiebern der nächsten Fahrt im Freifallturm entgegen, während andere schon Schweißausbrüche bekommen, wenn sie nur daran denken? Warum halten so viele Menschen Haustiere, während andere absichtlich Parks und öffentliche Orte meiden, um genau denen nicht begegnen zu müssen? Die aktuelle Datenlage besagt, dass jeder zehnte in Deutschland von einer spezifischen Phobie betroffen ist und macht damit auf den hohen Handlungsbedarf aufmerksam. Glücklicherweise zeigt die Verhaltenstherapie einen Ausweg – doch der führt die Betroffenen direkt durch die Angst selbst.

Was kennzeichnet eine spezifische Phobie?

Der Begriff der spezifischen Phobie beschreibt eine übertriebene und anhaltende Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten. Bei einer Konfrontation kommt es nicht selten zu Panikattacken mit folgenden Symptomen:

  • Zittern
  • Übelkeit
  • Herzklopfen
  • Schwindel
  • Atemnot
  • Engegefühl in Hals und Brust
  • Schweißausbrüche

Bereits die Erwartung des gefürchteten Objektes oder der Situation kann die genannten Symptome hervorrufen. Betroffene versuchen sie aus diesem Grund so gut es geht zu vermeiden und ertragen entsprechende Situationen nur unter intensiver Angst und Unwohlsein. Folglich ist es vorstellbar, dass die Betroffenen, je nach Ausprägungsgrad, mehr oder weniger starke Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder weiteren Lebensbereichen erleiden.

Genauso groß wie die Zahl der Betroffenen ist die Vielfalt der Beeinträchtigungen

Knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung leidet unter Ängsten vor bestimmten Objekten oder Situationen. Krankheitswert haben diese jedoch erst, wenn sie die Lebensqualität maßgeblich einschränken. Angststörungen allgemein sind unter den psychischen Störungen besonders häufig vertreten, ganz besonders die spezifischen Phobien. Knapp zehn Prozent der Deutschen sind im Laufe ihres Lebens betroffen, Frauen fast dreifach so viel wie Männer. Auch beachtlich ist die Komorbidität mit weiteren psychischen Erkrankungen, sie liegt bei über 50 Prozent. Grundsätzlich kann eine spezifische Phobie in jedem Lebensalter beginnen, meist tritt sie jedoch in der Kindheit oder Jugend zum ersten Mal auf.

Genauso verschieden wie die Ängste sind die Verläufe und damit verbundenen Einschränkungen. Beispielsweise kann eine Person mit einer Spinnenphobie kaum beeinträchtigt sein, wenn sie in einer Großstadt eines Landes mit kühlem Klima lebt und automatisch seltener mit ihrer Angst konfrontiert ist. Dagegen würde eine Personen mit der Angst vor dem Erbrechen sehr stark leiden, wenn sie schwanger ist, kleine Kinder mit regelmäßigen Magen-Darm-Infekten zuhause hat oder beruflich häufig fliegen muss.

Durch diese Beispiele wird ersichtlich, dass manche Ängste im Alltag besser zu umgehen sind als andere. Wer zum Beispiel Angst vor dem Fliegen hat, verreist vermutlich mit dem Auto oder Zug. Genauso lassen sich Höhen oder Fahrstühle (wenn man nicht gerade in New-York City lebt) oft gut vermeiden. Die Angst vor der Ansteckung mit verschiedensten Krankheiten dagegen ist weniger kontrollierbar und damit allgegenwärtig. Nichtsdestotrotz schränkt jede Phobie den Betroffenen auf eine gewisse Weise ein und bleibt ohne eine Behandlung meist dauerhaft bestehen.

Ausprägungen der Ängste

  • Tier-Typus: Tiere oder Insekten
  • Umwelt-Typus: Stürme, Höhen, Wasser
  • Blut-Spritzen-Verletzungs-Typus: Blut, Verletzungen, Injektionen oder andere medizinische Eingriffe
  • Situativer Typus: Öffentliche Verkehrsmittel, Brücken, Tunnel, Fahrstühle, Fliegen, Autofahren
  • Anderer Typus: Situationen, die zu Erbrechen, Ersticken, Krankheiten oder Verletzungen führen können

Am meisten verbreitet ist die Angst vor Tieren (Zoophobie), besonders vor Spinnen, Schlangen und Mäusen. Auch große Höhen (Akrophobie) und Gewitter sowie Naturgewalten (Astraphobie oder Brontophobie) belasten viele Menschen.

Die Ursachen…wie so oft vielfältig!

Wie so oft sind die Ursachen der Entstehung – auch die einer spezifischen Phobie – multifaktoriell. Folgende Aspekte sind beteiligt:

Genetische Faktoren: Die Rolle genetischer Faktoren ist weithin anerkannt. Familienstudien zeigen, dass Verwandte ersten Grades mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 30 Prozent ebenfalls eine spezifische Phobie besitzen. Noch stärker sind die Effekte bei eineiigen Zwillingen.

Psychische Faktoren: Besonders ein ausgeprägtes Rückzugsverhalten, mangelnde Anpassungsfähigkeit an neue Situationen und eine labile Stimmungslage erhöhen das Risiko. Genauso wie eine beeinträchtigte Emotionsregulation sowie ein verstärkter Aufmerksamkeitsfokus auf angstbezogene Reize.

Soziale Faktoren: Belastende Lebensereignisse (wie Auseinandersetzungen, schlechte Schulnoten und Misshandlung) sowie familiäre Faktoren (Erziehungsverhalten, Vorbild durch die Eltern) stellen einen großen Risikofaktor dar.

Lernpsychologische Konzepte: Die vermutlich entscheidendste Komponente stellt jedoch die Verknüpfung eines zunächst neutralen Reizes (z.B. einem Hund) gemeinsam mit einem Angsterleben durch ein bedrohliches oder traumatisches Ereignis (z.B. Angriff oder Biss vom Hund) dar. Ähnliche Reize werden künftig gemieden und begünstigen die Ängste. Ebenfalls bedeutsam ist die Übernahme von Verhaltensweisen des Umfeldes.

Konfrontation – Der wirksamste Weg

Wie können Betroffene lernen, ihre Ängste zu kontrollieren? Da die meisten phobischen Störungsbilder mit einer Vermeidung der gefürchteten Situationen oder Objekten einhergehen, hat sich die sogenannte Expositionsmethode in der kognitiven Verhaltenstherapie am wirkungsvollsten gezeigt. Bei diesem Therapieansatz geht es darum, dass die Patienten sich schrittweise den angstbesetzten Situationen und Reizen aussetzen und versuchen in der Situation so lange zu verbleiben, bis die Angst durch den Prozess der sogenannten Habituation nachlässt.

Eine Habituation beschreibt demnach eine Gewöhnung an den entsprechenden Reiz, sodass dieser zukünftig nicht mehr als bedrohlich erlebt wird. Ebenfalls geht es auch bei weitem nicht darum, sich direkt der schlimmsten Angst auszusetzen, sondern sich mit einer sogenannten „Angsthierachie“ langsam heranzutasten. So kann gelernt werden, dass sich viele Befürchtungen gar nicht bewahrheiten. Da ein Großteil der Patienten einen hohen Leidensdruck verspürt und weiß, dass die eigenen Ängste übertrieben und nicht angemessen sind, ist die Motivation zur Konfrontation meist höher als man meinen mag.

Nachdem die Gründe für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Problematik ergründet wurden erfolgt die Konfrontation zunächst gedanklich. Der Therapeut steht während der gesamten Konfrontation unterstützend zur Seite. Beispielsweise kann er den Patienten bei Herzrasen oder Atemnot mit entspannungsfördernden Methoden anleiten und ihm Sicherheit geben, wenn er glaubt die Konfrontation abbrechen zu müssen. Diese muss zudem nicht zwingend im Therapieraum stattfinden.

Der Therapeut kann mit dem Patienten Bahn fahren, auf den Fernsehturm steigen, in den Streichelzoo gehen oder ein Restaurant besuchen. Sobald der Patient sich auf einem Expositionsniveau wohlfühlt, kann die nächste Stufe angegangen werden. Bis das Akzeptieren eines Reizes erreicht ist, brauchen die Patienten unterschiedlich lange und werden keinesfalls gedrängt. Sobald nur kleine Erfolge erzielt werden, macht sich oft große Erleichterung breit und die Motivation weiterzumachen steigt nochmal weiter an. Die Erfolgsquoten von über 90% der erfolgreich behandelten Patienten spezifischer Phobien mit dieser Methode sprechen für sich und dürfen Betroffenen sowie Angehörigen großen Mut machen.

Quellenangaben
  • Neudeck, Peter; Wittchen, Hans-Ulrich: Konfrontationstherapie bei psychischen Störungen. Göttingen, 2005
  • Morschitzky, Hans: Wenn Furcht zur Phobie wird. Düsseldorf, 2019
Christiane von Falkenhayn
Leitende Psychologin, Approbierte psychologische Psychotherapeutin Christiane von Falkenhayn
Dipl.-Psych. Christiane von Falkenhayn ist eine versierte leitende Psychologin und approbierte psychologische Psychotherapeutin, die sich durch ein tiefgehendes Verständnis verschiedener psychotherapeutischer Ansätze auszeichnet. Ihre Expertise umfasst spezialisierte Techniken in Verhaltenstherapie, Systemischer Therapie, Dialektisch Behavioraler Therapie und Traumatherapie. Durch ihr Studium der Psychologie an der Universität Trier und kontinuierliche Weiterbildungen erlangte sie umfassende Kenntnisse, die sie in ihrer Rolle als Leitende Psychologin in der LIMES Schlosskliniken AG täglich anwendet. Besonders geschätzt ist Christiane von Falkenhayn für ihre Empathie, mit der sie eine Atmosphäre des Vertrauens und der persönlichen Entwicklung schafft.

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